Ewiglich die Sehnsucht - Ashton, B: Ewiglich die Sehnsucht
Spannungen, Fragen und Vorwürfen.
Schließlich lehnte er sich mit einem benommenen Ausdruck im Gesicht zurück. »Wie geht’s jetzt mit uns weiter?«
»Gar nicht«, flüsterte ich. »Es hat sich nichts geändert.«
Die Augenbrauen noch immer zusammengezogen, sagte er: »Das werden wir ja sehen.« Dann drehte er sich um und ging.
Ich speicherte diesen Moment in meinem Inneren.
In der dunklen, dumpfen Welt der Tunnel würde ich diese Erinnerung wachrufen. Sie wäre wie ein aufflackernder Kerzenschein. Wenn auch nur ganz kurz.
Ich schloss die Augen und versuchte, mir jede einzelne Faser ins Gedächtnis einzubrennen. An Erinnerungen kam Cole nicht heran. Solange ich sie mir bewahrte, gehörten Erinnerungen mir, mir allein.
Kapitel Sechzehn
JETZT
Zu Hause. Noch zweieinhalb Monate.
Die Zeit stellte seltsame Dinge mit mir an. Manchmal kam mir eine Woche vor wie ein Tag und eine Minute wie eine Ewigkeit. So als würde eine Uhr immer langsamer werden, allmählich an Schwung verlieren, bis man sie schüttelte und – zack! – eine ganze Woche verschwunden ist.
Jack die Wahrheit zu sagen – dass ich mich doch an ihn erinnerte –, hatte unser Verhältnis irgendwie verbessert. Es entspannt. Ich merkte es an den Blicken, die er mir dann und wann im Unterricht zuwarf. Und wenn ich ihn jetzt dabei ertappte, dass er mich ansah, lag in seinen Augen keine Feindseligkeit mehr.
Wir hatten ein Gleichgewicht erreicht. Einen Weg gefunden, wieder in der Welt des jeweils anderen zu existieren.
Ich dachte an meine sonstigen Bemühungen. Bei Mary war ich keinen Schritt weitergekommen, weil sie die letzten zwei Samstage nicht in der Suppenküche aufgetaucht war. Aber zwischen meinem Dad und mir wurde es besser.
Eines Tages bat er mich nach der Schule, die neuesten Entwürfe für seine Wahlkampfbroschüren bei Mr Macy in der Druckerei abzugeben. Das Büro meines Dads verfügte über modernste Technologie, aber in Wahlkampfdingen war er ausgesprochen altmodisch. Er glaubte, dass ein Handschlag das beste Mittel zur sozialen Kontaktpflege war und dass ein Computer niemanden von der Aufrichtigkeit eines Lächelns überzeugen konnte.
Ich schnappte mir die Mappe mit den Entwürfen. Als ich die Haustür öffnete, rief mein Dad aus der Küche: »Die Bewegung wird dir guttun.«
Weil sportliche Betätigung und der Dienst an anderen alle Probleme lösen. Es war ein vielversprechender Schritt, dass mein Dad mich mit einer Aufgabe betraute. Ein weiterer Schritt in Richtung Normalität.
Ich marschierte also in die Stadt und lieferte die Entwürfe bei Mr Macy ab, und als ich aus seiner Werkstatt kam, konnte ich von irgendwoher im Stadtzentrum Musik hören. Ich folgte dem Klang. Die Melodie kam mir irgendwie bekannt vor, war aber so leise, dass ich sie nicht genau benennen konnte.
Ich wollte wissen, woher sie kam, und schaute in jede Seitenstraße, sodass ich nicht aufpasste, als ich an der Apotheke um die Ecke bog, und voll mit jemandem zusammenstieß.
Jack.
Er trug etliche Kartons, die – bis auf einen – auf die Erde purzelten. Er erstarrte, den letzten Karton noch fest in den Händen.
»Oh«, sagte ich. »Tut mir leid.«
»Becks.« Er ließ auch den letzten Karton fallen.
Wir setzten beide an, etwas zu sagen.
»Was machst …«
»Ich wollte …«
Weiter kam keiner von uns.
Jack gewann die Fassung wieder. »Weißt du, ich würde dir wirklich gern mal zufällig begegnen, ohne dass es gleich zum Zusammenstoß kommt, nur ein einziges Mal.«
»Du bist der Footballspieler«, sagte ich. »Stell dir vor, welche Auswirkungen das auf mich hat.«
In letzter Zeit waren mir einige solcher Momente aufgefallen – Momente, in denen zwischen uns alles scheinbar normal lief, wenn auch nur kurz.
»Arbeitest du?«, fragte ich.
»Ja. Derselbe Job wie früher.«
Panik überkam mich. Ich konnte mich nicht erinnern, wo er arbeitete, und der Augenblick Normalität war dahin. Sein Job gehörte nicht zu den Erinnerungen, die mich am Leben gehalten hatten, also hatte ich genau genommen seit hundert Jahren nicht mehr daran gedacht.
Er bückte sich, um die Pakete aufzuheben. Auf jedem standen ein Name und eine Adresse.
»Auslieferung«, sagte ich unvermittelt, als es mir plötzlich wieder einfiel, »von Paketen.«
Das hätte sich natürlich jeder mit zwei Augen im Kopf denken können. Jack richtete sich auf und sah mich belustigt an. »Richtig, Becks. Ich wünschte bloß, ich könnte deine Begeisterung dafür teilen.« Er reichte mir die
Weitere Kostenlose Bücher