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Ex

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Titel: Ex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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das kann ich Ihnen nicht sagen, Mr. Freestone. Entschuldigen Sie die Störung. Auf Wiederhören.«
    Nachdem er aufgelegt hatte, atmete er erst einmal tief durch, bevor er erneut wählte. Denn inzwischen beschlich ihn eine bange Ahnung, was er als nächstes zu hören bekommen würde. Doch es nutzte nichts, er mußte es durchstehen. Schon allein als Wissenschaftler war er verpflichtet, seine Theorien zu überprüfen. Peggy hob ab.
    »Irgendwelche Nachrichten für mich, Peggy?«
    »Carl Janowitz von diesem Stiftungsvorstand, mit dem du neulich gesprochen hast. Dann Bob Gulliver aus dem Dekanat. Und dann eine Joanna Cross. Sie war der Meinung, wir müßten uns kennen. Hat sie mal mit uns gearbeitet?«
    »Ja, das hat sie, Peggy.«
    »Ich weiß nicht recht, wo sie hingehört. Na ja, sie wollte es jedenfalls noch mal probieren.«
    Sam dankte ihr und legte auf. Ob er Joannas Eltern anrufen sollte? Zwar wußte er deren Telefonnummer nicht, aber die ließ sich bestimmt leicht herausfinden.
    Doch was sollte er sagen? Was konnte er ihnen sagen?
    Außerdem gab es andere Dinge, die zuerst erledigt werden mußten – und die andere Menschen nicht unnötig in Aufregung versetzten. Vor allem mußte er sich selbst zusammennehmen, er durfte nicht den Kopf verlieren. Als Wissenschaftler mußte er mit größtmöglicher geistiger Klarheit und emotionaler Gelassenheit an die Situation herangehen, was hieß, die richtigen Fragen zu stellen und den Antworten nicht auszuweichen, wie auch immer sie lauten und wo immer sie auch hinführen mochten.
    Bevor er die Wohnung endgültig verließ, ging er zum Fenster, stand einige Augenblicke reglos da und starrte hinaus. Er erinnerte sich, wie der Erzähler in Jack Finneys Zeitreise – erst gestern hatte er sich mit Joanna darüber unterhalten! – ebenfalls an einem Fenster in diesem Gebäude gestanden und auf ein längst vergangenes New York geblickt hatte.
    Sam wußte, daß er mit etwas sehr viel Fremdartigerem konfrontiert war als der bloßen Vergangenheit.
     
    KAPITEL 50 Während der Zugfahrt hatte es angefangen zu regnen. Als sie am Bahnhof ausstieg, war die Novemberdämmerung schon hereingebrochen, und es goß in Strömen.
    Da weit und breit kein Taxi in Sicht war, stellte sie sich unter dem Dach des Bahnhofsvorplatzes an den Taxistand und wartete. Sie empfand kaum etwas außer einer merkwürdigen Benommenheit, einem Losgelöstsein von der Realität. Es erinnerte sie daran, wie sich ihr Mund nach einer örtlichen Betäubung beim Zahnarzt anfühlte – zwar noch vorhanden, aber irgendwie fremd.
    Das ist ein Schutzmechanismus, sagte sie sich. Und etwas verwundert stellte sie fest, daß die Erkenntnis einer Tatsache nichts an deren Wirkung änderte. Aber dieses seltsame Gefühl, da zu sein und gleichzeitig nicht da zu sein, bewahrte sie davor, dem Wahnsinn zu verfallen, der untergründig in ihr schlummerte. Sie wußte, daß sie verloren war, wenn er die Oberhand gewann.
    Ein Taxi sauste heran und hielt an, um ein Paar abzusetzen, das sofort zum Fahrkartenschalter eilte. Dann wendete der Fahrer und ließ Joanna einsteigen. Nachdem sie die Adresse ihrer Eltern genannt hatte, lehnte sie sich zurück und hoffte, daß der Fahrer nicht allzu redselig war. Doch er schwieg die ganze Fahrt über.
    Sie versuchte, sich über ihre Gefühle klarzuwerden, in sich hineinzuhorchen und festzustellen, was ihr durch den Kopf ging. Aber es gelang ihr nicht. In ihrer Gedankenwelt schien alles Mögliche und Unmögliche zugleich zu geschehen, so daß sie nicht wußte, was sie wirklich dachte. Auch das, vermutete sie, gehörte zu diesem Schutzmechanismus, der es ihr erlaubte, »normal« zu funktionieren, zumindest so lange, bis sie an ihrem Ziel angekommen war. Was dann passieren würde, lag im Dunkeln. Und sie sah sich außerstande, auch nur einen Augenblick lang darüber nachzudenken.
    Das Einfahrtstor vor dem Haus ihrer Eltern war geschlossen. Also bezahlte sie den Fahrer und ging zu Fuß zum Haus. Wind kam auf, und die Regentropfen peitschten ihr ins Gesicht. Sie senkte den Kopf, schlug den Mantelkragen hoch und beschleunigte ihren Schritt.
    Vor der Tür wartete sie einen Moment im Schutz des kleinen Vordachs und schüttelte sich das Wasser aus den Haaren. Zum ersten Mal kam ihr jetzt in den Sinn, daß ihre Eltern vielleicht gar nicht zu Hause waren. Drinnen brannte zwar Licht, aber das ließen sie immer an. Da erkannte sie, was hinter diesem Gedanken steckte – ein Abwehrmechanismus, um die Konfrontation

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