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Ex

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Titel: Ex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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dann Julius Cäsar oder Napoleon nennen können«, antwortete Sam. »Allerdings würden wir bald herausfinden, daß er nicht mehr über das Römische Reich oder die französische Geschichte weiß als jeder von uns am Tisch.«
    »Sam hat recht. Es wäre ein schlagkräftigerer Beweis, wenn wir einen Geist erfinden, der nie existiert hat.« Diese Bemerkung kam von Jeff Dorrell, dem theoretischen Physiker. »Erst neulich habe ich etwas über diese Toronto-Gruppe damals vor zwanzig Jahren gelesen. Ich finde auch, daß es Zeit ist, so etwas wieder auszuprobieren.«
    »Sie haben einen Geist namens Philipp erschaffen.« Sam blickte in die Runde und sprach mit zusehends größerer Begeisterung. »Er lebte angeblich zur Zeit des englischen Bürgerkriegs und beging nach einer unglücklichen Liebschaft Selbstmord. Zwar wurde er niemals physisch sichtbar, trat aber nach einer Weile durch Tischerücken mit der Gruppe in Kontakt. Und es gab auch einige spektakuläre Poltergeistaktivitäten – das ist alles auf Tonband und Film festgehalten.«
    Peggy O’Donovan hatte die Diskussion von einer Ecke aus verfolgt. Mit angezogenen Knien, die sie unter ihrem üblichen weiten Kaftan verbarg, balancierte sie auf einem uralten Sitzsack. »Okay, ich habe nur eine Frage. Ich nehme an, ihr alle habt Liebeszauber und Schwarze Magie: Abenteuer in Tibet von Alexandra David-Néel gelesen?«
    Das hatten alle, mit Ausnahme von Joanna, die noch nie davon gehört hatte. »Ich glaube ich weiß, worauf du hinauswillst«, meinte Sam. »Aber fahr nur fort, erzähl Joanna davon.«
    Peggys mandelförmige Augen richteten sich auf Joanna. Ihr tiefer, ruhiger Blick hatte etwas beinahe Hypnotisches. »Alexandra David-Néel war eine Französin, die um die Jahrhundertwende Tibet bereist hat. An einer Stelle schildert sie, wie sie von heiligen Männern erfuhr, die diese gedachten Gestalten – die tulpas – erschaffen konnten.«
    Joanna warf Sam einen kurzen Blick zu, weil sie sich an dieses Wort aus einer ihrer früheren Unterhaltungen erinnerte.
    »Schließlich«, erzählte Peggy weiter, »gelang es ihr durch Studium und Übung, selbst ein tulpa zu erzeugen – einen Mönch, der sich in ihrem Haus einquartierte. Wenn sie verreiste, folgte er ihr immer. Auch andere Leute sahen den Mönch und hielten ihn für eine reale Person. Zuerst war er freundlich und lustig, eine angenehme Gesellschaft. Dann spürte sie, daß er sich in etwas verwandelte, was ihr zusehends Unbehagen bereitete, etwas Boshaftes. So beschloß David-Néel, das Geschöpf, das sie erschaffen hatte, wieder zu entmaterialisieren. Aber der Mönch wollte nicht mehr verschwinden. Wie sie schreibt, hat es sie sechs schwierige Monate gekostet, ihn wieder loszuwerden.«
    Jeff machte keinen Hehl daraus, daß er die Geschichte amüsant fand, aber nicht ganz ernst zu nehmen. »Am liebsten mag ich die Stelle in dem Buch, wo sie von dem gehenden Hut erzählt.« Er blickte zu Joanna. »Anscheinend wurde irgendeinem Reisenden der Hut vom Kopf geweht, der dann in einem fernen Tal landete. Ein paar Dorfbewohner fanden ihn, rührten ihn aber nicht an. So ein Ding hatten sie noch nie gesehen, sie hielten es für irgendein Tier. Nachdem sie mehrere Tage darum herumgeschlichen waren, ohne sich näher heranzutrauen, bewirkten ihre Ängste, daß der Hut ein Eigenleben bekam – er bewegte sich plötzlich von selbst.« Jeff kicherte, als hätte er eine besonders treffende Pointe angebracht. »Ich weiß nicht, wie wörtlich wir Ms. David-Néel nehmen dürfen, ich habe schon den Eindruck, daß sie sich die eine oder andere künstlerische Freiheit herausgenommen hat.«
    »Das Entscheidende ist«, faßte Sam zusammen, »daß sie nicht bestreitet, daß ihr kleiner Mönch am Ende wieder verschwunden ist. Außerdem hat er während seiner Existenz keinen Schaden angerichtet – abgesehen davon, daß sie sich durch seine Anwesenheit eine Zeitlang unwohl gefühlt hat. Bei der Toronto-Gruppe war es so, daß ihr Philipp bereits verschwand, wenn auch nur einer aus der Gruppe ihn nicht mehr dahaben wollte.«
    »Übrigens, an welche Gruppengröße und welche Teilnehmer hast du denn gedacht, Sam? An Leute vom Team, Freiwillige oder wen?« wollte ein großer, blonder Mann wissen – Brad Bucklehurst, ebenfalls Physiker und außer Tania das einzige Mitglied, das Joanna bis zum heutigen Vormittag noch nicht kennengelernt hatte.
    Sam meinte, nach allem, was er gehört habe, liege die optimale Größe einer solchen Gruppe bei sechs bis

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