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Ex

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Titel: Ex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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schlagartig wach, als sie im Halbschlaf nach Barry tastete und feststellte, daß er nicht im Bett lag. Aus den Ritzen der Badezimmertür drang kein Licht, also hatte er wohl nicht schlafen können und war hinuntergegangen.
    Sie stand auf und schaute über das Treppengeländer. Unten konnte sie kein Licht erkennen. Doch da spürte sie einen kalten Luftzug, der von oben zu kommen schien. Zitternd zog sie ihren Morgenrock fester um die Schultern und ging die schmale Treppe hinauf, von der ihr ein kühler Wind entgegenwehte. Kurz vor der Tür zum Dachboden entdeckte sie ein offenes Fenster. Es war gerade groß genug, daß ein erwachsener Mensch durchsteigen konnte. Dahinter konnte man auf das Flachdach eines kleinen Anbaus gelangen. Vorsichtig kletterte sie durch das Fenster und rief nach Barry.
    Sie erhielt keine Antwort, und es dauerte ein paar Sekunden, bis sich ihre Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. Plötzlich entdeckte sie am äußersten Rand des Dachs eine Gestalt auf der Mauer, die die Dachfläche umgrenzte. Dort, auf dem kaum dreißig Zentimeter breiten Mäuerchen, kniete Barry, den Kopf gesenkt wie zum Gebet, und wiegte sich vor und zurück, so wild, daß er Gefahr lief, jeden Augenblick das Gleichgewicht zu verlieren und auf den Betonboden hinter dem Haus hinabzustürzen.
    Entsetzt schrie sie auf und rannte auf ihn zu, schlang ihre mageren Arme um ihn und zerrte ihn mit aller Kraft von der Dachkante weg. Ohne Widerstand zu leisten, sackte er auf der rauhen Dachpappe zusammen. Atemlos vor Angst und Anstrengung hielt Drew ihn in ihren Armen.
    Barry wehrte sich nicht, er seufzte nur leise, als hätte er Schmerzen oder als wäre er nicht ganz bei Bewußtsein. Dunkel erinnerte sich Drew an die Warnung, daß man Schlafwandler nicht plötzlich wecken sollte. Andererseits hatte sie keinen Grund anzunehmen, daß Barry schlafwandelte. Das hatte er noch nie getan, warum sollte er jetzt auf einmal damit anfangen?
    Schließlich nahm sie seinen Arm und redete beruhigend auf ihn ein, wie auf ein schläfriges Kind oder einen kranken Greis. Er ließ sich von ihr durchs Fenster ins Haus und zum Schlafzimmer hinunterziehen. Mittlerweile war er wieder halbwegs bei Bewußtsein und konnte sich an alles erinnern, was geschehen war, nachdem er im Bett aufgewacht war.
    »Es war wie ein Wachtraum. Ich habe sowas nicht oft, aber immerhin oft genug, um zu wissen, was es ist. In diesem Zustand weiß man, daß man träumt. Es ist, als würde man im Traum erwachen und sich sagen: ›Ich schlafe und träume jetzt‹, und das mit derselben Gewißheit, mit der man weiß: ›Ich bin jetzt wach, es ist Morgen, und ich muß zur Arbeit‹. Ich habe von Adam geträumt. Er kam ins Schlafzimmer und bat mich, ihm zu folgen. Warum nicht, dachte ich mir, weil ich ja wußte, daß ich das alles nur träumte. Ich hatte keine Angst. Nachdem wir so lange über ihn geredet und über ihn nachgedacht hatten, erschien es mir ganz natürlich, daß er auch mal in meinen Träumen auftaucht. Ja, irgendwie war ich sogar froh darüber. Ich dachte, ich würde einfach nur mehr Klarheit darüber bekommen, was geschehen ist.
    Dann führte er mich aufs Dach hinauf, wo du mich gefunden hast. Er wollte mich überreden hinunterzuspringen. Ich habe gegen ihn angekämpft, aber er war stärker. Wenn du nicht gerade noch rechtzeitig gekommen wärst, hätte er gewonnen.«
    Sie gingen wieder ins Bett, und Drew hielt ihn noch lange in ihren Armen, während ihr schmerzlich bewußt wurde, daß sie ihn um ein Haar verloren hätte.
    »Ich verstehe das nicht«, flüsterte er. »Warum träume ich nur, daß Adam mich umbringen will?«
    »Das war kein Traum«, sagte Drew mit angstvoller Gewißheit. »Es war ein Fluch.«
     
    Joanna legte den Hörer auf und war völlig erstarrt. Sie hatte den ganzen Vormittag in ihrem Büro im Redaktionsgebäude von Around Town am Schreibtisch gesessen und an ihrem Artikel über die bisherigen Ereignisse gefeilt. Man konnte ohne weiteres eine vierteilige oder sogar eine noch längere Serie daraus machen, was Taylor Freestone sicher gefallen würde.
    In ihrer Darstellung hatte sie nichts weggelassen und nichts dazuerfunden. Als Beweis konnte sie die Video- und Tonbandaufzeichnungen vorlegen, doch sie gestand offen ein, daß manche das Ganze auch für einen Schwindel halten könnten. In diesem Zusammenhang erwähnte sie Rogers David-Hume-Zitat über Wunder, wonach es »rationaler ist, Schurkereien und Narrheiten zu vermuten, als mit einem Schlag alles

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