Ex
schloß sich hinter ihnen mit einem vertrauten dumpfen Schlag. Skip war bereits aus dem Auto gesprungen, lief im Kreis herum und kündigte mit einem lauten Bellen ihr Kommen an.
Joanna lief das kurze Stück Weg zum Wohnhaus. Da erschien ihre Mutter schon in der Tür, und sie fielen sich um den Hals. Joanna schloß die Augen, um diesen Moment voll auszukosten – die Wärme, die Wohlgerüche aus der Küche, ein Flötenkonzert von Mozart, das aus einem Radio im Hintergrund ertönte. Es war alles, wie es sein sollte, wie sie es in Erinnerung hatte und wie es immer bleiben sollte.
Während ihre Mutter nach dem Huhn im Backofen sah, schenkte ihr Vater Wein ein. Die drei stießen auf ihr Wohl an, auf ihr Beisammensein, auf ihre Familie.
Danach erzählten ihre Eltern noch etwas ausführlicher, wo sie überall gewesen waren und was sie alles unternommen hatten. »Wir haben herrliche Videoaufnahmen gemacht«, meinte ihre Mutter. »Die zeigen wir dir nach dem Essen.«
»Wirst du wohl zurückkommen und die Urlaubsbilder anschauen – wir zahlen dir auch was dafür!« zischte ihr Vater aus dem Mundwinkel. Es war ein alter Familienwitz, und Joanna brach in schallendes Gelächter aus. Aber in ihrem krampfhaften Bemühen, sich in all das Gewohnte und Vertraute zu retten, lachte sie vielleicht eine Spur zu laut, denn ihre Mutter warf ihr einen kurzen Blick zu. Obwohl sie ihre Arbeit nicht unterbrach und sich nichts anmerken ließ, wußte Joanna trotzdem, daß Elizabeth Cross etwas gemerkt hatte.
Als sie am Eßtisch Platz nahmen, schimmerte flackerndes Kerzenlicht auf dem Silberbesteck und der polierten Tischplatte, und das ganze Eßzimmer spiegelte sich in dem hohen Fenster. Dahinter lag undurchdringliche Finsternis, doch morgen würden der gepflegte Rasen, die Blumenbeete und der baumbestandene Hang, der sanft zum Fluß hin abfiel, zu sehen sein.
Sie aßen, tranken, plauderten und genossen ihr Zusammensein, wie es wohl alle Familien tun würden. Trotz dieses Blicks ihrer Mutter vorhin in der Küche herrschte keine spürbare Spannung. Es hatte nicht den Anschein, als würden ihre Eltern bestimmte Themen nicht ansprechen, während sie hinter der Fassade eines angeregten Gesprächs heimlich ihre Schlüsse zogen. Allerdings war Joanna klar, daß dieser Moment der Aussprache morgen kommen würde, wahrscheinlich am Vormittag, wenn sie wie üblich zusammen mit ihrer Mutter einkaufen ging. Dann würde sie mit Fragen konfrontiert werden, denen sie nicht mehr ausweichen konnte. Aber darauf war sie vorbereitet, sie hatte sich eine Strategie überlegt. Denn diese wenigen kostbaren Tage wollte sie sich durch nichts verderben lassen.
»Oh, das tut mir leid…!«
Die Entschuldigung kam von Joannas Mutter. Sie hatte Joannas Handtasche am Rand des Sideboards nicht gesehen und sie heruntergeworfen, als sie das Käsebrett wegschob, um Platz für eine leere Salatschüssel zu machen.
Joanna hatte gerade die Hände voller Teller, die sie wegräumen wollte. »Ich hebe die Sachen auf«, meinte deshalb ihr Vater und kniete sich auf den Boden. Joanna dankte ihm, ohne sich größere Gedanken wegen ihrer Tasche zu machen. Es war ja nichts Zerbrechliches darin, nichts Wertvolles, das verloren- oder kaputtgehen konnte.
Doch da sah sie, wie ihr Vater etwas in der Hand hielt und mit in Falten gezogener Stirn betrachtete. Sie trat näher heran und erkannte die weiße Karte mit dem unmißverständlichen schwarzen Rand. Ihr Herzschlag setzte einen Augenblick aus. Wie dumm von ihr, die Karte vom Trauergottesdienst heute vormittag mitzunehmen!
»Ist jemand gestorben, den du kanntest?« fragte ihr Vater. »Das Datum ist von heute.« Besorgt sah er sie an. »Du warst heute auf einer Beerdigung, Jo?«
»Ach, Daddy!« platzte sie ärgerlich heraus, stellte unsanft das dreckige Geschirr ab und riß ihm die Karte samt ihrer Tasche aus der Hand.
Erstaunt und ein wenig erschrocken blickte er sie an. »Entschuldigung, ich wollte nicht spionieren. Sie ist einfach herausgefallen.«
»Ja, ich weiß, schon gut.« Joanna versuchte, einen versöhnlichen Ton anzuschlagen, aber ihre Reaktion war zu barsch gewesen.
Mit ihrem Versuch, über den Zwischenfall hinwegzugehen und das Thema zu wechseln, kam sie nicht durch.
»Schätzchen, wer ist denn gestorben?« Die Stimme ihrer Mutter klang mitfühlend, aber die Frage ließ sich nun nicht mehr übergehen.
Mit einem knappen Kopfschütteln gab sie zu verstehen, daß sie nur ungern darüber sprach.
»Drew und Barry Hearst«,
Weitere Kostenlose Bücher