Exil im Kosmos: Roman (German Edition)
weiß.«
»Der schwierigste Teil ist das Lügen, Boardman.«
»Wie Sie meinen. Hauptsache ist, Sie können seine Gesellschaft ertragen. Bemühen Sie sich. Plaudern Sie mit ihm. Geben Sie ihm zu erkennen, dass Sie sich Zeit von Ihrer wissenschaftlichen Arbeit stehlen – dass die Antreiber und Menschenschinder, die Ihre Expedition leiten, es nicht gern sehen, wenn Sie sich mit ihm abgeben, aber dass Sie sich von Mitgefühl und Sympathie zu ihm gezogen fühlen. Erzählen Sie ihm von sich, von Ihren Ambitionen, Ihrem Liebesleben, Ihren Steckenpferden, was Sie wollen. Plappern Sie munter drauflos. Es wird das Bild des naiven und sympathischen Jungen verstärken.«
»Soll ich die fremden Galaktiker erwähnen?«, fragte Rawlins.
»Nicht auffallend. Arbeiten Sie sie irgendwo ein, wenn Sie ihm von den Neuigkeiten in der Welt erzählen. Aber sagen Sie ihm nicht zuviel darüber. Auf gar keinen Fall dürfen Sie die Bedrohung erwähnen, die uns da erwächst. Und kein Wort davon, dass wir ihn brauchen, verstehen Sie? Wenn er auf den Gedanken kommt, dass er benützt werden soll, sind wir erledigt.«
»Wie soll ich ihn zum Verlassen des Labyrinths bewegen, wenn ich ihm nicht sagen darf, warum er mitgehen soll, warum wir ihn wollen?«
Boardman seufzte. »Lassen wir den Teil einstweilen auf sich beruhen. Wenn Sie erst sein Vertrauen gewonnen haben, werde ich Sie für die nächste Phase instruieren.«
»Im Klartext heißt das«, sagte Rawlins, »dass Sie mir so faustdicke Lügen in den Mund legen werden, dass Sie aus Angst, ich würde das Vorhaben platzen lassen, nichts darüber zu sagen wagen.«
»Ned …«
»Sollte ich Ihnen mit der Vermutung unrecht getan haben, so bedaure ich es. Aber hören Sie, Boardman, warum müssen wir ihn mit Lügen und faulen Tricks herauslocken? Warum können wir nicht einfach sagen, dass die Menschheit ihn brauche, und ihn zwingen, mit uns zu gehen?«
»Glauben Sie, das sei moralisch besser, als ihn mit Tricks herauszulocken?«
»Es ist irgendwie ehrlicher. Ich hasse all diese schmutzigen Plänemachereien und Manöver. Viel lieber würde ich mithelfen, ihn ohnmächtig zu machen und aus dem Labyrinth zu schleppen. Dazu wäre ich bereit, denn wir brauchen ihn wirklich. Wir haben genug Männer, es zu tun.«
»Wir können keine Gewalt anwenden«, sagte Boardman mit beschwörender Stimme. »Glauben Sie mir, Ned. Es wäre zu riskant. Er könnte sich in dem Moment töten, wo wir ihn zu packen versuchten.«
»Eine Betäubungswaffe würde das verhindern«, sagte Rawlins. »Sogar ich könnte es über mich bringen. Ich brauchte nur in Reichweite zu kommen, und im nächsten Augenblick wüsste er nichts mehr, und dann könnten wir ihn aus dem Labyrinth tragen, und wenn er aufwachte, würden wir ihm erklären, dass …«
Boardman schüttelte heftig den Kopf. »Er hat neun Jahre Zeit gehabt, dieses Labyrinth kennenzulernen. Wir wissen nicht, was er gelernt hat, oder welche Abwehrfallen er zu seinem Schutz gebaut hat. Solange er hier drinnen ist, kann ich keinerlei offensive Aktion gegen ihn unternehmen. Er ist zu wertvoll, das ist das Problem. Wer von uns weiß, ob er nicht den ganzen Laden programmiert hat, so dass er in die Luft fliegt, wenn jemand eine Waffe gegen ihn zieht? Er muss aus seinem eigenen freien Willen aus diesem Labyrinth herauskommen, Ned, und das heißt, dass wir ihn mit falschen Versprechungen täuschen müssen. Ich weiß, dass es stinkt. Das ganze Universum stinkt manchmal. Haben Sie das noch nicht entdeckt?«
»Es brauchte nicht zu stinken!«, sagte Rawlins mit erhobener Stimme. »Ist das die Lektion, die Sie in all den Jahren gelernt haben? Das Universum stinkt nicht. Der Mensch stinkt! Und er tut es aus freien Stücken; es liegt ihm mehr als Sauberkeit des Denkens und Handelns. Wir müssen nicht lügen. Wir müssen nicht betrügen!«
Boardman seufzte. »Sie sind noch jung«, sagte er. »Sie haben ein Recht auf Fehler.«
»Sie glauben wirklich nicht, dass es die zivilisierte Gesellschaft ist, die den Menschen zum Lügner und Betrüger macht, weil sie unehrliche Finessen mit Anerkennung belohnt. Glauben Sie vielleicht, das Universum werde von einer Art kosmischer Böswilligkeit beherrscht, die uns mit einschließt?«
»Keineswegs«, sagte Boardman und faltete seine fetten Hände. »Es gibt keine Macht der Finsternis, die die Fäden in der Hand hält, genauso wenig wie es eine personifizierte Macht des Guten gibt. Das Universum ist eine große, unpersönliche Maschine. Ihre
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