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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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er für sie kein Aug mehr hat.
    Als dieser Gedanke Anna das erstemal aufstieg, schämte sie sich vor sich selber. Wäre ihr früher auch nur im Traum die Idee gekommen, eine Erna Redlich könne ihr zur ernstlichen Rivalin werden? Die Sache mit dieser Redlich war ein belangloser Flirt, wahrscheinlich nicht einmal das, und wie unberührt ist sie früher vor solchen Dingen geblieben. Scheußlich heruntergekommen ist man, daß man wegen einer solchen Sache mißtrauisch wird und eifersüchtig wie ein kleines Mädel.
    Anna war nicht die Frau, es ruhig geschehen zu lassen, daß Sepp ihr entglitt. Wenn er es nicht einsah, daß die Aufführung der »Perser« dazu angetan war, ihm auch innerlich weiterzuhelfen, so konnte sie ihn nicht dazu zwingen. Aber darauf wenigstens konnte sie ihn stoßen, daß die Aufführung äußerlich ein Erfolg war, daß sie Geld gebracht hat, daß sie einem das Leben leichter machte.
    Man konnte sich zum Beispiel wohnlicher einrichten. Sie schlug Sepp vor, das Hotel Aranjuez zu verlassen und sich ein angenehmeres Quartier zu suchen.
    Allein er sträubte sich. Er hatte sich an das vollgestopfte Zimmer gewöhnt, ihm war unbehaglich vor dem Wechsel. Ihr Vorschlag war sicher gut gemeint, ihr ganzes Wesen war nichts als Aufopferung für ihn, und er bemühte sich, ihr freundlich und scherzhaft darzulegen, warum er an diesem Wechsel wahrscheinlich wenig Freude haben werde.
    Anna, etwas betreten, fügte sich. Aber sie machte sich daran, wenigstens seine zunehmende Verschlamptheit energisch zu bekämpfen. Sie ließ den alten, ausgesessenen Wachstuchsessel reparieren und neu überziehen, sie kaufte einen neuen hübschen Schlafrock für den abgetragenen, sie besorgte neue gute Pantoffeln, um seine ausgetretenen zu ersetzen. Er stellte sich erfreut und bedankte sich mit netten Worten. Aber es zeigte sich, daß er sich in dem reparierten Sessel lange nichtso wohl fühlte wie in dem alten, und trotz ihrer bald spaßhaften, bald ernsthaften Vorwürfe zog er immer öfter den abgetragenen Schlafrock und die alten Pantoffeln an statt der neuen.
    Da Anna damit kein Glück hatte, beschloß sie, zumindest für bessere Bedienung zu sorgen. Bei Tisch erzählte sie, daß sie Madame Chaix entlassen wolle; Frau Simmel habe ihr eine Aufwartefrau empfohlen, teuer, doch unbedingt verlässig. Sie wolle in den nächsten Tagen Madame Chaix unter irgendeinem Vorwand aufsagen.
    Später, beim gewohnten Geschirraufwaschen mit Hanns – Sepp hatte sich entfernt –, fiel ihr auf, daß Hanns noch mehr in sich gekehrt war als sonst. Es schien ihr, als setze er mehrmals an, getraue sich aber dann nicht mit der Sprache heraus. Sie selber fürchtete sich davor, daß er zu reden beginnen werde, sie hatte Angst, er werde ihr mitteilen, daß er jetzt, nächsten Monat oder nächste Woche oder schon morgen, endgültig nach Moskau gehe.
    Es war anderes, was Hanns beschäftigte. Er hatte in der letzten Zeit die peinliche Erinnerung an die Episode mit Germaine soweit wie möglich zurückgedrängt. Das war ihm nicht schwergefallen; er war beschäftigt, nicht nur mit den anstrengenden Vorbereitungen für sein Examen, auch mit politischer Arbeit. Da er nämlich mit der Verwertung seines Vaters für die Zwecke der Volksfront nicht vorankam, war er bemüht, sich auf andere Art verdient zu machen, und versuchte, eine Volksfront der Jugend zusammenzubringen. Er war bestrebt, unter den jugendlichen Sozialdemokraten, Linksbürgerlichen, Katholiken Freunde zu gewinnen und das Mißtrauen gegen die Kommunisten zu besiegen. Der gesetzte, vernünftige Junge hatte nicht das Zeug, Menschen schnell zu enthusiasmieren; doch wen er sich einmal zum Freund gemacht hatte, der hielt zu ihm. Sein Vorhaben schien ihm und Vater Merkle nicht aussichtslos.
    Diese seine Geschäfte also hatten ihm wenig Zeit gelassen, sich um die Episode Germaine zu kümmern. Er hatte sich damalsnach dem mißglückten Rendezvous recht geschämt, Germaine hatte sich blutig über ihn lustig gemacht, sie hatte ihn nach Noten gefrotzelt. Er hatte sie seither nach Möglichkeit vermieden; sie ihresteils setzte, wenn sie ihn sah, auch in Gegenwart der Mutter, ein spitzbübisches Lächeln auf, das ihn tief erröten machte. Es wäre ihm daher nicht unlieb gewesen, wenn er in Zukunft Germaine nicht mehr hätte begegnen müssen. Trotzdem durfte er nicht stillschweigend zuschauen, daß die Mutter Madame Chaix unter einem Vorwand entließ; das wäre feig und lumpig gewesen.
    Betrachtet man es nur vom

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