Existenz
die Augen schloss und sich anzustrengen schien, fast so als ob …
Mit einem leisen Ächzen wich er zurück, und zum Vorschein kam eine kleine Kugel auf dem Tisch. »Das Geld ist an jedem Stadtkiosk abrufbar. Wie ich schon sagte: Für euch ist der Betrag ziemlich groß, doch für meine Auftraggeber zu klein, als dass sie euch deshalb betrügen würden.«
»Das ist es nicht , was mir Sorgen macht«, sagte Mei Ling, obwohl sie sofort nach dem Kügelchen griff. Ihre Stimme war heiser vor Furcht, während sie den kleinen Xiao En eng an sich gedrückt hielt, aber ihr Gesicht trug einen pragmatischen Ausdruck. »Vielleicht gefällt es deinen Auftraggebern nicht, Zeugen zurückzulassen. Wenn sie den Stein bekommen … Wäre es dann nicht besser, wenn niemand darüber Bescheid weiß? Nachdem du dich mit Xiang Bin auf den Weg gemacht hast … Vielleicht überlebe ich die nächste Stunde nicht.«
Daran habe ich gar nicht gedacht, fuhr es Bin durch den Sinn. Er biss die Zähne zusammen und trat zum Tisch.
»Öffne dein Tutor-Tablet«, sagte der Vogel, und diesmal war seine Stimme scharf, nicht mehr höflich. »Schnell! Und sprecht eure Namen, laut und deutlich.«
Rasch schaltete Bin das kleine Weltnetz-Gerät ein, das eigentlich für Vorschüler bestimmt war und den einzigen Zugang bot, den sie sich leisten konnten. Es handelte sich um eine minimale Verbindung, einen elementaren Freien Öffentlichen Zugang. Doch als Bin ihre Namen nannte, erschien eine neue Nachricht auf dem Schirm. Sie zeigte sein Gesicht und das von Mei Ling, den Weltstein … und eine kurze Zusammenfassung ihrer Vereinbarung.
»Deine Frau weiß nicht mehr, als bereits veröffentlicht wurde, und das ist wenig genug. Unsere Rivalen können nicht mehr von ihr erfahren, weshalb wir keinen Grund hätten, sie zum Schweigen zu bringen. Weder wir noch sonst jemand. Beruhigt dich das?« Als Mei Ling nickte, fuhr die Maschine fort:
»Gut. Allerdings ist durch die Notwendigkeit, dich zu beruhigen, die Zeit noch knapper geworden. Im Verlauf der nächsten Minuten und Stunden werden viele neue Kräfte und Gruppen aufmerksam und aktiv werden. Triff also deine Wahl, Peng Xiang Bin. Jetzt sofort! Wenn du mich nicht mit dem Stein begleiten willst, explodiere ich in zwanzig Sekunden, um zu verhindern, dass ihn jemand anders erhält. Komm mit oder fliehe! Sechzehn … fünfzehn … vierzehn …«
»Ich komme mit!«
Bin schnappte sich einen Rucksack und steckte das glänzende Objekt hinein. Der Weltstein erstrahlte kurz, als er ihn berührte, gab es dann aber auf und wurde wieder dunkel, als Bin polsterndes Material in den Rucksack stopfte und ihn sich auf den Rücken schlang. Der Pinguin hatte bereits die Eingangsplane des Zelt-Heims erreicht. Bin drehte sich um …
… als Mei Ling ihren Sohn hob, der ihnen beiden am meisten bedeutete. »Möge es dir gut gehen«, sagte Bin und legte dem Säugling dabei die Hand auf den Kopf.
»Überlebe, Ehemann«, befahl Mei Ling. Ein feuchter Glanz in ihren Augen überraschte und rührte ihn, mehr als Worte. Bin nahm die Verpflichtung mit einem schnellen Nicken entgegen und folgte dem Roboter dann nach draußen, ins Licht der untergehenden Sonne.
Halb die große Treppe hinunter, auf dem breiten Absatz, den Bin in eine Anlegestelle verwandelt hatte, öffnete der Pinguin seinen Bauch. Sichtbar wurde ein Hohlraum, der ein schmales metallenes Objekt enthielt.
»Nimm das.«
Er erkannte ein kleines Atemgerät, ein Mundstück mit einer isolierten Kapsel, die hochverdichtete Luft enthielt. Sogar zwei baumelnde Gel-Okulare gehörten dazu. Der Schmuggler Quang Lu besaß ein größeres Modell. Bin nahm es aus der Öffnung, die sich sofort wieder schloss, woraufhin der Roboter zum Rand der Anlegestelle watschelte und über die schmutzigen Fluten der Huangpu-Mündung schaute.
»Schnell jetzt!«
Es sprang ins Wasser, drehte sich und beobachtete Bin mit Augen, die nun leuchteten.
Peng Xiang Bin warf einen raschen Blick über die Schulter und fragte sich, ob er jemals hierher zurückkehren würde. Dann schob er sich das Mundstück zwischen die Lippen, setzte die Gel-Okulare vor die Augen und machte den größten Sprung seines Lebens.
Schadenfreude
Falls und wenn unsere Zivilisation einmal stirbt, sind wir uns vielleicht nicht einmal über die Todesursache einig. Man denke nur an Alexander Demandt, einen deutschen Historiker, der in den 1980er-Jahren 210 verschiedene Theorien für den Fall des Römisches Reiches entwickelte, darunter
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