Existenz
Erklärung dafür anbot, warum die US-Regierung sowohl medizinische Fortschritte zurückhielt als auch die Wahrheit über außerirdische Besucher leugnete: weil sie den Besuchern aus dem All Treibstoff für ihren »Krebs-Antrieb« verkauften.
Aber nein, solche Vermutungen waren natürlich Unsinn, wie die meisten in der Öffentlichkeit verbreiteten UFO-Szenarien.
Wahrscheinlicher wäre, dass Außerirdische Zugang zu billiger Erdling-Arbeit suchen und unsere schuftenden Massen für eine Art Outsourcing benutzen. Einf ache, stumpfsinnige Arbeit, für die sich ihre eigenen Bürger und Roboter zu schade sind. Software kann zwischen den Sternen reisen – soll die Erde zum neuen Programmier-Ausbeuterbetrieb werden? Oder zu einem interstellaren Callcenter?
Lacey begriff: Wenn diese Kontakt-Episode hinter verschlossenen Türen stattgefunden hätte, gewissermaßen als Gespräch unserer Elite mit der ihren … Dann gäbe es gewisse Möglichkeiten. Zum Beispiel die zu sagen: »Nein, danke. Wir lehnen euer Angebot ab.
Zumindest diesmal.
Vielleicht für immer.«
Lacey war überrascht und auch ein wenig schockiert von dem Weg, den ihre Gedanken eingeschlagen hatten. Wo war die Enthusiastin, die ihr ganzes Leben als Erwachsene auf der Suche nach genau dieser Sache verbracht hatte, nach dem Ersten Kontakt? Wenn es hart auf hart kam … Wurde sie dann genauso konservativ und zurückhaltend wie alle anderen?
Warum habe ich das unangenehme Gefühl, dass es bei dieser Sache einen Haken gibt?
Ihre Stimmung war noch immer gedrückt, als Professor Noozone ihr die Rampe hinunterhalf, die von der Jacht zu einigen jugendlich-frischen jungen Männern und Frauen führte, die makellose Uniformen trugen und darauf warteten, sie zu begrüßen. Es war ein klarer Tag. Hinter dem Zeppelin-Hafen mit seinen fliegenden Kränen zwischen den riesigen schwebenden Frachtern erkannte Lacey das erneuerte Washington Monument und die Fahnen des New Smithsonian Castle. Aber selbst dieser Anblick verbesserte ihre Stimmung nicht.
Während sich Bedienstete um ihr Gepäck und Profnoos wissenschaftliche Ausrüstung kümmerten, schüttelte Lacey ihren Gastgebern die Hände, jedem Einzelnen von ihnen. Sie versuchte, einen irrationalen Anflug von Ärger darüber zu unterdrücken, dass diese Seeleute hier standen, anstatt an der Suche nach ihrem Sohn teilzunehmen. Nur Müdigkeit kam als Erklärung für ein solches Gefühl infrage.
Und doch kann ich nicht anders. Unter all dem Durcheinander über Objekte aus dem All, hinter all den wissenschaftlichen Rätseln und philosophischen Dilemmas bin ich vor allem Mutter.
»Der Empfang für unser ehrenwertes Beratergremium beginnt bald, Madam«, sagte der Lacey zugewiesene Assistent, ein lächelnder junger Ensign, der Ähnlichkeit mit Hacker hatte. »Ich bringe Sie zuerst zu Ihrem Gästequartier, damit Sie sich ein wenig erfrischen können …«
Der junge Offizier schnappte nach Luft, und sein Gesicht gewann einen orangefarbenen Ton, als er zurückwich, verblüfft von etwas, das sich hinter Lacey befand. Andere reagierten ebenfalls, duckten sich und hoben die Hände vor die Augen.
»Bomboclaat!«, entfuhr es Professor Noozone.
Lacey drehte sich um und sah, woher das orangefarbene Licht stammte. Jetzt kam auch das Geräusch: ein tiefes, dumpfes Grollen, begleitet von einem Windstoß. Gedanken an den Furchtbartag zogen ihr durch den Kopf – den anderen ging es vermutlich ebenso.
Aber warum bin ich dann noch auf den Beinen?, fragte sich Lacey, drehte sich noch etwas weiter um und sah einen Feuerball, der hinter dem Pentagon aufstieg, ein Stück flussaufwärts, vielleicht in Virginia. Die untergehende Sonne machte es schwer, Einzelheiten zu erkennen, aber der Feuerball verblasste schnell, und Lacey begriff erleichtert, dass es keine Atombombe gewesen sein konnte. Nicht einmal eine kleine.
Doch dieser Trost schwand, als eine zweite Explosion erfolgte, und dann noch eine. Und Lacey wusste: Wenn es um Explosionen ging, kam es nicht unbedingt auf die Größe an.
ABkehrer
Was ist mit der Vorstellung von »unvermeidlichem Fortschritt«?
Vor Jahrzehnten hat der Autor Charles Stross betont: Wenn man glaubt, dass eine wundervolle Singularitätsära bevorsteht, sollte man sein Verhalten davon nicht beein flussen lassen und auch nicht in dem ernsten Bemühen nachlassen, die aktuellen Prob leme zu lösen.
»Die Verzückung der Nerds, etwa angesichts der Vorstellung von einer Kolonisierung des Weltalls, wird von 99,999 Prozent
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