Existenz

dass eine oder mehrere verborgene Gruppen bereits im Besitz von intakten Weltsteinen oder deren Fragmenten sein könnten. Vielleicht haben diese Leute auch Varianten der vom Havanna-Artefakt erzählten Geschichte gehört …«
    »Ich hoffe, es gibt keine Steine im heimlichen Besitz von Privatpersonen«, warf Paul ein. »Es wäre ein schreckliches Verbrechen: die ganze Zeit über von einem solchen Geheimnis gewusst zu haben, ohne die Welt zu warnen.«
    »Vielleicht ist es sogar gnädiger und klüger, dass sie der Welt nichts gesagt haben«, murmelte Yang Shenxiu. »Es ist besser, die Menschen in seliger Unwissenheit zu lassen, wenn alle unsere Bemühungen ohnehin vergeblich bleiben. Wenn sich das Ende nicht verhindern lässt.«
    Paul Menelaua schlug mit der Faust auf den Tisch. Sein Kruzifix wackelte im Rhythmus der Vibrationen. »Das kann ich nicht akzeptieren. Wir sind nach wie vor in der Lage, unsere Zivilisation zu retten. Das Havanna-Artefakt muss lügen! Der Stein sollte zerlegt werden, nicht dieser.«
    Stille folgte, während Yang Shenxiu nicht recht zu wissen schien, ob er Pauls Geschrei für respektlos halten oder darin nur einen Hinweis auf die Unterschiede der Kulturen und Charaktere sehen sollte. Schließlich zuckte der Gelehrte die Schultern.
    »Wenn wir wieder zur Sache kommen könnten …«, sagte er.
    »Ja«, stimmte ihm Anna zu. »Ich bezweifle, dass irgendeine Gruppe einen aktiven Stein aus reinem Altruismus geheim halten würde. Menschen neigen dazu, nach Vorteilen zu suchen. Während sie gleichzeitig vorgeben, das Allgemeinwohl im Auge zu haben.« Sie sprach in einem ironischen Ton, ohne Dr. Nguyen anzusehen. »Aber das ist das Problem mit Xiang Bins Hypothese. Wenn eine andere Gruppe bereits einen solchen Stein hat, sollten wir dann nicht schon Technologien sehen, die vergleichbar wären mit …«
    Anna unterbrach sich, als ihr plötzlich ein Gedanke kam.
    Paul sprach für sie weiter. »Vergleichbar mit den Fortschritten, die während der letzten hundert Jahre in der Spiel- und Unterhaltungsindustrie erzielt wurden? Wie ich schon sagte: Wir sind nicht mehr weit davon entfernt, die technischen Fähigkeiten der Weltsteine duplizieren zu können. Himmel, nicht einmal die militärische Hardware hat sich so schnell entwickelt wie Hollywoods Simulationstechnik. Methoden für fortgeschrittene Visualisierung, realistische, mit künstlicher Intelligenz ausgestattete Avatare, die sogar den Turing-Test bestehen …«
    »Das alles könnten inkrementelle Fortschritte sein, angetrieben von Markt, Popkultur und menschlichem Einfallsreichtum«, sagte Dr. Nguyen. »Ganz im Ernst: Können Sie auch nur einen Durchbruch nennen, der nicht kurz nach anderen kam und zusammen mit ihnen eine schnelle, natürliche Folge von Erfindungsgabe und Wunsch bildete? Ist es nicht ein langweiliges Klischee, unsere eigenen Entdeckungen auf äußere Intervention zurückzuführen, wie zum Beispiel die Behauptung, die ägyptischen Pyramiden hätten nur mit der Hilfe von UFOs erbaut werden können? Müssen wir zurückkehren zu absurden Vorstellungen von geheimen Laboratorien, in denen Horden anonymer Techniker Alien-Leichen sezieren und fliegende Untertassen auseinandernehmen, ohne dass die Öffentlichkeit etwas davon erfährt? Ich dachte, solchen Unsinn hätten wir inzwischen hinter uns gelassen.«
    Die anderen sahen das Oberhaupt der Gruppe an, und Bin spürte, dass ihnen allen ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen.
    Machen wir in diesem Raum nicht genau das?
    Außerdem, fügte Bin in seinem eigenen Kopf hinzu, wenn jemand über einen anderen geheimen Stein Bescheid wüsste, so käme dafür nur Dr. Nguyen infrage.
    Der die Arme ausbreitete und mit einem sanften Lächeln fortfuhr: »Nach der Hypothese von Xiang Bin sollten wir sorgfältig nach Leuten Ausschau halten, die am meisten von solchen Technologien profitiert haben. Bollywood-Moguln. Die Eigentümer von Glaubwelt und KIversum. Die KIs Haveit und Fabrique Zaire.«
    Bin spürte eine Welle von Zufriedenheit, als er hörte, wie seine Ideen »Hypothese« genannt wurden. Er wusste, dass seine Guanxi oder Beziehungsglaubwürdigkeit in letzter Zeit gestiegen war. Gleichzeitig bereitete ihm die Richtung, in die dies alles zielte, Unbehagen.
    »Aber dadurch wird unsere Arbeit hier umso wichtiger«, betonte Nguyen. »Wenn es menschliche Gruppen gibt, die bereits über einen solchen Vorteil verfügen – Zugang zu außerirdischen Technologien –, so könnten diese Gruppen versuchen, die