Existenz
Durcheinander angerichtet.
Anna schüttelte den Kopf; es klang resigniert, als sie sagte: »Wenn alles hoffnungslos ist, sollten wir vielleicht das Angebot der Außerirdischen annehmen. Sollen sie uns zeigen, wie man Millionen von Sonden beziehungsweise Fluchtkapseln baut, die einzelne Menschen aufnehmen und zu den Sternen tragen können.«
Nach einer recht langen Phase der Zurückhaltung fand Bin wieder den Mut zu sprechen.
»Kurier der Vorsicht – der Emissär in unserem Weltstein – sagt, dass die Außerirdischen in Washington Lügner sind.«
»Genau!«, schnauzte Paul und befingerte dabei sein Animatronik-Kreuz. Seit einiger Zeit zeigte er mehr Bereitschaft, Bin wie ein Mitglied des Teams zu behandeln und seine Gegenwart mit einem gelegentlichen knappen Nicken zu bestätigen. »Vielleicht sagen sie nicht die Wahrheit. Möglicherweise wollen sie uns mit dieser Geschichte in die Verzweiflung und zur Selbstzerstörung treiben, und dann hätten wir genau das Szenario, vor dem sie uns warnen.«
Yang Shenxiu pflichtete dem bei und ging vom umgangssprachlichen Chinesisch, in dem sie sich unterhalten hatten, zum Englischen über.
»Dies wächst uns über den Kopf. Wir sollten die beiden Steine zusammenbringen, damit sie miteinander debattieren, vor der ganzen Welt!«
Alle Blicke richteten sich auf Dr. Nguyen, den Keramik-Mogul, der seit einigen Tagen sehr still und nachdenklich war. Er stützte beide Ellenbogen auf den Tisch, faltete die Hände, schürzte die Lippen und schüttelte schließlich den Kopf.
»Ich bin einem Konsortium gegenüber verantwortlich«, sagte er in perfektem Mandarin-Chinesisch. In seiner Stimme war nur ein leiser Hinweis auf den Mekong-Akzent seiner Kindheit zu vernehmen. »Nach meinen Anweisungen sollte zuerst festgestellt werden, ob es irgendwelche Unterschiede zum Havanna-Artefakt gibt. Das haben wir inzwischen geklärt.
Leider wurde am zweiten Punkt nicht der geringste Zweifel gelassen: Zugriff auf vorteilhafte Technologien , um fast jeden Preis. Entweder durch Befragung oder durch Zerlegung. Diese Methoden sollen auch angewandt werden, um herauszufinden, ob der Weltstein irgendwelche verborgenen Informationsschätze enthält.«
Paul Menelaua presste die Lippen zusammen und nickte grimmig. Bin und die anderen starrten, mehr oder weniger schockiert.
»Das Wort ›vorteilhaft‹ …«, protestierte Anna. »Es deutet an, dass wir mehr herausfinden können als die Forscher in Washington. Technologien, die für das Konsortium von großem Nutzen wären.
Aber wir wissen bereits, dass sich diese Objekte ähneln. Außerdem dreht sich die ganze Geschichte der Außerirdischen im Havanna-Artefakt um das Versprechen, dass sie der Menschheit die Möglichkeit geben werden, mehr Weltsteine herzustellen. Das ist der Grund, warum sie so viele Lichtjahre zurückgelegt haben! Weshalb sollten sie irgendetwas zurückhalten? Es bedeutet, dass es überhaupt keinen Sinn hätte, diesen Stein zu zerlegen …«
»Nicht unbedingt«, widersprach Paul. »Wenn der Kurier der Vorsicht recht hat, gibt es vielleicht einen verborgenen Plan, und in dem Fall wäre es durchaus vorstellbar, dass die Außerirdischen eine ganze Menge zurückhalten. Sicher, sie zeigen der Menschheit, wie man Objekte dieser Art herstellt. Aber was bieten sie wirklich an? Diese steinernen Emissäre scheinen unserer Technik gar nicht so weit überlegen zu sein. Nachdem wir ihre KI- und Simulationstechnik in Funktion gesehen haben, sind wir vermutlich imstande, in den nächsten dreißig Jahren alles ohne Hilfe zu duplizieren, mit Ausnahme vielleicht des beschleunigenden Laserstrahls.
Nein, was uns Sorgen machen sollte, ist die Möglichkeit, dass vielleicht viel mehr hinter dem steckt, was uns die Außerirdischen bisher gesagt haben. Es gibt allerdings einen wichtigen Unterschied: Da das Havanna-Artefakt im Mittelpunkt der Weltöffentlichkeit steht, wird man bei ihm keine drastischen Methoden anwenden, um mehr herauszufinden.«
»Aber wir können unseren Stein aufschneiden, weil uns niemand über die Schulter schaut?«, brachte Anna ungläubig hervor. »Läuft es darauf hinaus? Ist Ihnen eigentlich klar, was Sie da sagen? Wenn der Kurier die Wahrheit sagt, ist nur er imstande, die Lügen des anderen Steins aufzudecken! Aber weil wir ihm glauben und bei uns alles geheim bleibt, fangen wir an, ihn mit Lasern und Bohrern zu bearbeiten?«
»He, ich wollte nur aufzeigen …«
Anna drehte sich um. »Xiang Bin, vor ein paar Tagen hast du gesagt,
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