Existenz
ergriff, um den Verrat von Hamish Brookeman zu überwinden und die vom Havanna-Artefakt ausgelöste Verzweiflung für seine Zwecke zu nutzen. Und alles stand in direktem Zusammenhang mit den Dingen, über die Henri und die anderen sprachen.
»Welch eine Ironie«, sagte Henri. »Wer in Hinsicht auf die Menschheit besonders pessimistisch ist, sieht Vorteile in dieser ganzen Angelegenheit – während die Optimisten Trübsal blasen.«
Lacey sparte sich den Schweizer Bericht für später auf, scrollte durch die anderen dringenden Nachrichten und hörte mit halbem Ohr zu, wie das Kontaktteam über Unterschiede zwischen symbiotischen, kommensalen und parasitischen Viren sprach.
»Ich sage Ihnen, was mir am meisten Sorgen macht«, erklang Hermiones gedämpfte Stimme, als Lacey den letzten Projekt-Uplift-Bericht von Hacker las. »Eingebettete Überzeugung. Es könnte in allem enthalten sein, das die ›Passagiere‹ des Artefakts sagen und gesagt haben, in jeder einzelnen Seite der technischen Details …«
Schließlich fand Lacey inmitten all der wichtigen Nachrichten die eine, auf die sie gewartet hatte. Aus Riad.
Das Quantenauge hatte endlich ihre Frage aufgegriffen.
Und vielleicht konnte es ihr schon bald eine erste Antwort präsentieren!
Lacey setzte sich erfreut auf. Doch bevor sie mehr lesen konnte …
… kam es hinter dem dicken Glas plötzlich zu Unruhe! Gerald Livingstone und seine Kollegen klopften an Immersionsbrillen oder drängten sich vor Holoschirmen zusammen. Lacey hörte gedämpfte Rufe. Niemand achtete mehr auf das eiförmige Artefakt, das noch immer Diagramme mit technischen Einzelheiten zeigte.
»Was ist los?«, fragte Lacey, während sich andere Berater ins Netz klickten. Hermes rollte kurz mit den Augen, erstarrte für einige Sekunden, als hätte ihn das simulierte Leben verlassen, sprach dann monoton, maschinenhaft.
»Es gibt Berichte über Aktivität im Asteroidengürtel und bei mehreren Lagrange-Punkten. Observatorien und Überwachungssatelliten melden sehr helle Lichtstrahlen, gefolgt von Blitzen und Explosionen.«
Henri holte zischend Luft. »Und? Wir sind ziemlich sicher, dass es Kommt- und-holt-mich-Signale von den Botschaftersonden sind. Die Chinesen, Brasilianer und Amerikaner bereiten Weltraummissionen vor. Die Lichter im All beweisen die Lächerlichkeit der Schwindel-Theorie und …«
»Sie verstehen nicht«, sagte Hermes. »Es handelt sich um starke kohärente Strahlen , um sieben oder acht Größenordnungen energiereicher als alle vorherigen Lichtblitze. Sie sind stark genug, massiven Fels zu verdampfen.«
Einige Sekunden herrschte Stille. »Es sind … Laserwaffen?«
»Nicht nur das«, kommentierte Ram. Er wackelte mit den Fingern und ließ über dem Tisch Hologramme erscheinen, die schwarzes All mit einer Vielzahl von glitzernden Punkten zeigten. Einige dieser Punkte leuchteten plötzlich auf, und Daten wurden eingeblendet. »Die meisten Ziele befinden sich dort, wo die Aufmerksamkeitssignale beobachtet worden sind. Jemand zerstört die rivalisierenden Sonden.«
Helle, dünne Strahlen zogen zwischen Mars und Jupiter durchs All. Lacey beobachtete und versuchte zu begreifen, was geschah.
Im Sonnensystem war Krieg ausgebrochen.
Wer schoss da? Auf wen? Ohne weitere Informationen schien nur eins klar zu sein:
Die Rivalität hatte eine ganz neue Bedeutung bekommen.
Das private Write-Only-Tagebuch von Tor Powlow
Die Ereignisse überschlagen sich. Ich bin von den vielen Anfragen fast überwältigt.
Es ist kaum etwas, das man von einer Frau erwarten würde, die fast zu Asche verbrannt wäre. In einer früheren Epoche wäre ich nach gnädig kurzer Agonie gestorben oder hätte am Tropf gehangen, bis ich wegen sensorischer Deprivation verrückt geworden wäre. Und woraus besteht mein gegenwärtiges Problem? Aus zu starker Stimulation.
Zuerst einmal: Die Ärzte wollen mich nicht in Ruhe lassen. Sie schicken Nanocrawler los, die vom Gehirn ins Rückgrat kriechen, Spalierfasern hinter sich herziehen und gleichzeitig Wachstumscocktails absondern, die Neuronen anlocken sollen. Ich werde immer wieder aus meinen Gedanken gerissen und kriege Zuckungen in meiner Gel-Kapsel. Außerdem geraten meine Wahrnehmungen durcheinander, mit falschen Farben, Geschmacksempfindungen und Gerüchen.
Ich sollte aufmerksam und dankbar sein. Aber mal im Ernst, es liegt einfach zu viel auf meinem Teller. Zum Beispiel die Koordination dieses inzwischen sehr hoch bewerteten Powlow-Mobs und seine laufende
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