Existenz

beschäftigen können. Das Kontaktzentrum ist praktisch dichtgemacht, und alle Interaktionen mit dem Havanna-Artefakt laufen über den neuen Rat. Trotz all der Whistleblower-Enthüllungen, die den Rat mit einer Verschwörung superreicher Strippenzieher in Verbindung bringen.
    Während es immer wieder zu Aufruhr und Gegenaufruhr kommt … Gibt es nicht schon genug Gerüchte, die zu immer neuer Unruhe auf der Welt führen?
    Angeblich ist das Artefakt bereits zerstört, und das Objekt, das der WR gestern der Öffentlichkeit gezeigt hat, soll eine Fälschung sein.
    Ja, es ist eine Fälschung, aber sie soll darüber hinwegtäuschen, dass das Original GESTOHLEN wurde! Von Mitgliedern des Kontaktteams, die seitdem spurlos verschwunden sind.
    Es war von Anfang an eine Fälschung. (Ja, diese Theorie ist zurückgekehrt.)
    Die Explosion gestern bei Canaveral sollte die Aufmerksamkeit von einem anderen Start weit draußen auf dem Meer ablenken.
    Die kryonische Hibernation lebender Menschen, die unserer rauen Zeit entkommen wollen, erfreut sich inzwischen so großer Beliebtheit, dass selbst die Inselstädte nicht mehr mitkommen. Und die Futures für flüssigen Stickstoff schießen in die Höhe.
    Die Krise könnte zu einer neuen Generalversammlung der Stände führen, zu einem Konklave, das den Big Deal überprüft.
    Und so weiter. So viele Rätsel … Und wo zum Teufel steckt Tor Powlow, wenn wir sie brauchen?
    Egal. Hier und heute möchte ich zu unserem Hauptinteresse zurückkommen, zu den Außerirdischen im Artefakt. Zum letzten Gespräch mit ihnen, bevor die große Stille begann. Wir haben mit der Diskussion gestern begonnen.
    Wie ihr euch erinnert, waren die meisten Leute von dem käferartigen Wesen fasziniert, das sich »Martianus Capella« nannte, nach einem alten Römer, der den Untergang der Zivilisation voraussah und einen Teil von ihr retten wollte. Unser irdischer Martianus Capella stellte etwas zusammen, das er für die höchsten Leistungen seiner Kultur hielt, die Sieben Freien Künste , und seine Sammlung – in Form einer Menippeischen Satire, darin verstreut Verse mit fünfzehn verschiedenen Versmaßen – schien während des Mittelalters für viele ein Licht der Hoffnung darzustellen. Übrigens fühlte sich Isaac Asimov von jener Geschichte zu seinen berühmten Foundation -Romanen inspiriert.
    Der außerirdische Capella bemüht sich, viele Schätze seines Volkes und Planeten zu erhalten, sie vor Löschung und Vergessenheit zu bewahren. Er erscheint uns deshalb als nobel und rührend. So rührend, dass ich etwas Wichtiges übersehen habe.
    Zu der Stelle kam es beim Gespräch mit M’m por’lock, dem otterartigen Geschöpf mit dem rötlichen Fell. Als Emily Tang (vor ihrem Verschwinden) den Alien-Capella nach dem zentralen Bericht des Artefakts fragte. Nach der Geschichte, die das Älteste Mitglied und die meisten anderen erzählt haben. Wonach alle Zivilisationen untergehen.
    M’m por’lock pflichtete Äms Schilderungen bei … aber mit einer Körpersprache, die im Weltnetz zu heftigen Diskussionen führte. Viele glaubten in seinen Gesten Anzeichen von Widerstreben zu erkennen, sogar von Zwang! Andere hielten es für dumm, das Zittern und Ducken eines Außerirdischen nach menschlichen Maßstäben zu beurteilen.
    Aber dann fuhr M’m por’lock fort:
    »Es gibt eine Legende«, sagte er. »Eines Tages wird eine Spezies erscheinen, der das Unmögliche gelingt. Wesen, die alle Fallen erkennen und ihnen ausweichen, während sie nach vorn schreiten. Ein Volk, das mit Vernunft die Kunst des Überlebens studiert, das Handwerk der Reife und die Wissenschaft der Anteilnahme.
    Es heißt, dass dann ein neues Zeitalter beginnt. Jene lang erwartete Zivilisation wird aufbrechen und alle vielversprechenden neuen Völker retten, ihnen beibringen, wie man überlebt. Und sie helfen all denen, die zuvor gestolpert und gefallen sind.
    Sie werden den Weg für uns alle erhellen.«
    Emily Tang bat M’m por’lock, Einzelheiten zu nennen, doch dann erschien das Älteste Mitglied und meinte, die Zeit sei um.
    »Natürlich ist es nur eine Legende«, fügte das rötliche Geschöpf hinzu, während Äm in der Nähe stand. »Eine Geschichte für Kinder oder jene, die die Augen vor der Wahrheit verschließen. Nicht für Realisten, die alles deutlich sehen. Es gibt nur einen Ausweg.«

Es ist eine Boje 61
    Aufstieg.
    Das KI-Implantat in Bins rechtem Auge schrieb dieses Ideogramm und erklärte den neuen Kurs der mechanischen Seeschlange, die