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Exit Mosel

Exit Mosel

Titel: Exit Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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»Geht’s?«
    »Vom Reden ist mir noch nie schlecht geworden.« Gabi fasste im Vorbeigehen an die Lehne eines Stuhls. »Aber irgendwann ist immer das erste Mal.«
    *
    Heute war nicht sein Tag. Grabbe hielt den magentafarbenen Hörer in der Hand, von dem eine unbeschädigte Schnur zum stahlfarbenen Gehäuse mit einer robusten und sauberen Tastatur führte. Er zählte vier mal vier Felder. Quadratisch, praktisch, Scheiße! In seiner anderen Hand wurde das Kleingeld warm. Der Kasten funktionierte nur mit Telefonkarte, die er nicht besaß. Er musste sich zusammennehmen, um nicht den Hörer mit Wucht auf die Gabel zu knallen. Aus dem gegenüberliegenden Haus kam eine ältere Frau. Sie hielt einen schwarzen Pudel an der Leine, der einen hellen, trichterförmigen Kunststoffkragen um den Kopf trug. Neben dem Eingang hing das Schild einer Tierarztpraxis mit dem Bild einer Giraffe.
    Grabbe schaute sich um. Weiter oben in der Straße gab es eine Pension mit Weingut und da war auch ein Sparkassenschild. Er entschied sich für die Tierarztpraxis. Die Eingangstür war angelehnt. Durch eine Glastür im Windfang sah er in einen großen Raum, eine Kombination aus Empfangsraum mit Theke und Wartezimmer. Als er die Tür öffnete, war es erheblich lauter, als er erwartet hatte. Tierhalter, auf Chromstühlen sitzend, unterhielten sich, ein Telefon läutete und dazwischen gab es die unterschiedlichsten Tierlaute zu hören.
    An der Theke standen Leute in einer Warteschlange. Na prima, dachte Grabbe, als er sich hinten anstellte und sich im Zimmer umschaute. Neben den Besuchern hockten und lagen Hunde. Andere Halter hatten Transportboxen abgestellt oder hielten sie auf dem Schoß. Wegen der Hunde ließen sie wohl ihre Katzen und andere Tiere in den Behältnissen. Nur ein junges Mädchen hielt eine Katze auf dem Schoß. Manche Boxen waren etwas kleiner und hatten zum Teil nur sehr schmale Luftschlitze. Er fragte sich, ob hier etwa auch Echsen und Schlangen behandelt wurden?
    Bis auf einen Mann mit einem hohen Käfig mit einem dünnen Tuch darüber, unter dem sich wahrscheinlich ein Papagei verbarg, befanden sich nur weibliche Personen im Wartezimmer. In den Gesprächen schien sich alles um die tierischen Lieblinge zu drehen. Gleich über den Köpfen der Besucher waren rundum an den Wänden weiße Tafeln angebracht, über und über mit Fotos bedeckt, auf denen ausschließlich Tiere abgebildet waren. So langsam rückte Grabbe näher an die Empfangstheke. Hin und wieder wurde jemand aufgerufen. Es schien mehrere Behandlungszimmer zu geben.
    Wenn er gefragt würde, wo er sein Tier habe, würde er antworten, er hätte seinen Elefanten vor der Tür angebunden oder er wolle den Floh oder seinen Vogel nur dem Arzt persönlich zeigen.
    Aber als er schließlich an die Reihe kam, zeigte er der lächelnden Sprechstundenhilfe nur seinen Ausweis und bat sie, kurz telefonieren zu dürfen.
    Kaum hatte sie ihm den Apparat auf die Theke gestellt und er die Nummer des Präsidiums eingetippt, verstummten schlagartig die Gespräche. Kein Hund bellte mehr, die Katzen hielten inne, ebenfalls die Hasen, Meerschweine, Kanarienvögel und selbst das verborgene Reptil spitzte in seinem dunklen Käfig die Ohren, um zu erfahren, was der Bulle am Telefon sagte.
    »Grabbe hier«, meldete er sich. »Kann ich bitte das RD sprechen?« Die Idee mit der Abkürzung war ihm in letzter Sekunde gekommen. Aber wie sollte es jetzt weitergehen? Es blieb so still, dass man wahrscheinlich hören konnte, wenn sich eine Ratte hinter dem Ohr kratzte.
    »Hier Grabbe.« Er hatte den Namen des Kollegen nicht verstanden. »Ich habe hier etwas entdeckt, was Sie interessieren dürfte.«
    »Und was?«
    Grabbes Blick schweifte kurz durch den Raum, wo alle Augen, zumindest die der Zweibeiner, auf ihn gerichtet waren.
    »Am besten kommen Sie her, dann zeige ich es Ihnen.«
    »Wo?«
    »Ich warte hier in Kenn auf Sie, vor der Tierarztpraxis im Zentrum.«
    »Wo?«
    »So groß ist das Kaff nun auch wieder nicht.«
    »Okay«, die Stimme dehnte das Wort. »Aber ich möchte, bitte schön, schon gerne wissen, um was es geht.«
    Wenn das Telefon nicht am Kabel gehangen hätte, wäre Grabbe damit vor die Tür gegangen. Er suchte in seinen Taschen nach einem Tempo, seine Nase lief und seine Augen tränten. Hatte er eine Katzenhaarallergie? Endlich fiel ihm eine Antwort ein. »Eine Plantage, ganz in der Nähe«, er flüsterte, »Marihuana.«
    Jetzt fehlte nur noch, dass der Vogel in dem verhangenen Käfig sein

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