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Exit Mosel

Exit Mosel

Titel: Exit Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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Morgen schon Kontakte aufgenommen.«
    Walde schaute auf seine Uhr. »Vor morgen sind kaum Ergebnisse aus der Kriminaltechnik und von den toxikologischen Untersuchungen bei Dr. Hoffmann zu erwarten.«
    *
    Während der junge Mann hinter dem Schreibtisch in der Geschäftsstelle der Linken telefonierte, sah sich Walde in dem kleinen Raum um. Plakate an den Wänden riefen zur Bekämpfung von Nazis im Internet auf oder gaben die in den offiziellen Statistiken nicht gezählten Arbeitslosen kund. Der Mann legte auf und bot Walde einen Platz an. Er war es, der zuvor im Präsidium zurückgerufen hatte.
    »Es geht um Gerhard Roth«, kam Walde gleich zum Thema. »Er ist am Montagabend ums Leben gekommen.«
    »Was?« Der Mann schaute ungläubig. »Gerhard soll tot sein? Aber …«
    »Wir gehen von einer Straftat aus.«
    »Aber wer soll denn …?« Der Mann ließ den Mund offen stehen. Er schien kaum über zwanzig Jahre alt zu sein. Unter seinem Kinn sprießte ein schütterer Bart.
    »Darf ich fragen, welche Funktion Sie hier im Büro«, um ein Haar hätte Walde Parteibüro gesagt, »ausüben?«
    »Ich bin Beisitzer.« Der Mann räusperte sich. »Wir haben eine Vorsitzende, ihre Stellvertreter, Schatzmeister, Beisitzer …«
    »Und was machen Sie konkret?«
    »In der Hauptsache studiere ich, und hier betreue ich stundenweise das Büro und koordiniere ein paar Dinge.«
    »Und die Vorsitzende?«
    »Die ist seit letzter Woche in Berlin. Sie kommt Freitag zurück.«
    Walde setzte sich in dem unbequemen Stuhl auf. »Gerhard Roth wollte angeblich am Montagabend beim Plakatieren helfen.«
    »Er sollte mit einem Genossen nach Hermeskeil fahren, um Pappen abzuholen. Der Kangoo wäre dafür praktisch gewesen. Aber er ist nicht gekommen.«
    »Könnte er allein gefahren sein?«, fragte Walde.
    »Nein. Er wusste ja gar nicht, wo es genau hingehen sollte.«
    »Oder könnte er vielleicht alleine Plakate aufgehängt haben?«
    »Nein, wir plakatieren meistens nachts, damit hatte Gerhard nichts zu tun. Und die Pappen haben die Genossen gestern abgeholt.«
    »Wann haben Sie Gerhard Roth zuletzt gesehen?« Der junge Mann überlegte. »Letzte Woche.«
    *
    Die rote, herzförmige Lampe über Annikas Bett warf ein schwaches Licht auf das Buch. Die Geschichte handelte von einem kleinen Männchen, das nachts auf einem einsamen Bauernhof herumwanderte, mit den Tieren sprach und auf die schlafenden Menschen aufpasste. Es war eine Wintergeschichte. Dazu passte, dass es draußen kalt und neblig war. Mit der Zeitumstellung hatte sich der Herbst verabschiedet, und es war schlagartig Winter geworden. In Schweden, wo dieser Wicht Tomte Tummetott mit seiner roten Mütze über den Hof geisterte, wurde es im Winter nicht einmal tagsüber richtig hell. Aber das war auch kein Trost. Jetzt kam die Stelle, an der davon erzählt wurde, dass der kleine Mann manchmal winzige Spuren im Schnee hinterließ. Draußen in der Diele wurde geflüstert. Es hörte sich nicht nach einem Telefonat an, Doris’ Stimme klang, als rede sie beruhigend auf das Baby ein.
    Er sah wieder auf das Bild von den Kühen im Stall »…und der Wicht erzählt ihnen vom Frühling, der bald kommen wird …«
    »Wie lange bleibt die denn noch?«, unterbrach ihn Annika. Sie lag auf dem Rücken, ihren Kopf mit den Händen umfassend, die Ellenbogen in die Höhe gereckt.
    »Wer?«
    »Die da«, sie wies zur Zimmertür.
    Dort baumelte etwas an der Klinke. Es sah aus wie das Schild an einer Hotelzimmertür. Er konnte die Schrift nicht erkennen.
    »Wie meinst du das?«, fragte Walde.
    »Wie lange bleibt sie bei uns?«
    »Wie?«
    »Doch nicht für immer?« Annika ließ ihre Hände in den Nacken gleiten. »Ihr habt doch mich. Das reicht doch.«
    »Ja, aber …«
    »Wollt ihr nicht lieber einen Hasen oder ein …«
    »Krokodil?«, versuchte es Walde.
    »Spinnst du, ich meine, einen Jungen oder so?«
    »Oder so?«
    Annika zuckte mit den Schultern.
    Walde klappte das Buch zu. »Oder möchtest du ein Kaninchen?«
    »Nein, wir behalten Mathilda …«, sie drehte sich um und zog sich die Decke bis zu den Ohren, »erstmal, vielleicht kann ich ja später mal mit ihr spielen.« Sie drehte sich grinsend um und ließ dann wieder ihr Gesicht unter der Decke verschwinden. »Oder so.«

Donnerstag
    Um kurz vor halb neun war Gabis und Grabbes Bürotür noch abgeschlossen. In Waldes Büro zeigte das Telefon einen versäumten Anruf einer internen Nummer an. Beim Rückruf teilte ihm das Personalbüro mit, dass sein Urlaub mit dem

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