Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Exit to Eden

Exit to Eden

Titel: Exit to Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
weiter nichts.
    Aber ihr Gesichtsausdruck war ausgesprochen ironisch, als sie aufschaute. Die gesenkten Augenlider hoben sich müde, ihre Augen waren fast schwarz.
    »Es ist nicht üblich«, sagte sie so leise, daß ich sie kaum hören konnte.
    »Warum machen sie es dann?«
    »Weil das, was ich getan habe, genausowenig üblich ist. Im Gegenteil, niemand hat das bisher gemacht.«
    Ich schwieg und bedachte dies einen Moment. Mein Puls wurde schneller. Ich zog nervös an der Zigarette. »Hmm.«
    »Niemand hat je einen Sklaven aus dem Club mit nach draußen genommen«, sagte sie.
    Ich schwieg.
    Sie saß still. Ihre Hände strichen über ihre Oberarme, als wäre ihr kalt. Sie schaute mich nicht an. Sie schaute nirgendwohin.
    »Ich glaube, kein anderer hätte das hingekriegt«, sagte sie, »wenn du's genau wissen willst.« Ihre Stimme klang rauh, und ihre Lippen verzogen sich zu einem kleinen, bitteren Lächeln. »Ich glaube, ich bin die einzige, die so was überhaupt bewerkstelligen kann.« Sie schaute mich mit dem gleichen müden Augenaufschlag an. »Das Flugzeug bestellen, dein Zeug mitnehmen, dich ins Flugzeug bringen.«
    Ich schnippte die Asche von der Zigarette.
    »Bis heute früh um drei Uhr wußten sie nicht, daß du weg bist. Du warst mir zugeteilt worden. Ich war weg. Du warst nicht auffindbar. Ich bin mit einem Mann weggeflogen. Wer war der Mann? Ich hatte dein Gepäck holen lassen. Sie brauchten ein paar Stunden, bis sie die Geschichte durchschauten. Dann riefen sie sämtliche Hotels in New Orleans an. Sie fanden uns kurz vor sechs Uhr. Mag sein, daß du dich an den Anruf erinnerst.«
    »Ich erinnere mich«, sagte ich. Und damit sagte ich gleichzeitig, daß ich mich auch an alles andere erinnerte, einschließlich daran, daß ich ihr immer wieder gesagt hatte, daß ich sie liebte.
    Ich schaute sie an. Sie befand sich tatsächlich auf dünnem Eis. Sie zitterte innerlich. Aber ich sah es trotzdem. Sie starrte auf das Frühstück, als wäre es etwas Grauenvolles.
    »Warum hast du es getan?« fragte ich.
    Sie gab keine Antwort. Sie machte sich steif und starrte rechts an mir vorbei. Ohne daß sie irgendeinen Laut von sich gab, füllten sich ihre Augen mit Tränen.
    »Weil ich es wollte«, sagte sie.
    Ihre Unterlippe zitterte. Sie nahm die Serviette vom Tisch und drückte sie an die Nase. Sie weinte.
    »Ich wollte es einfach.«
    Mir war zumute, als hätte mir jemand in den Bauch geboxt. Ihr zuzuschauen, wie sie zitterte und zu heulen anfing, war schrecklich. Und es kam so verdammt plötzlich. Gerade eben noch ihr starres Gesicht und gleich darauf die Tränen, die ihr über die Wangen kullerten, und ihre Lippen, die zitterten, und ihr Gesicht völlig zerknittert.
    »Komm«, sagte ich. »Laß uns ins Hotel zurückgehen, wo wir allein sind.« Ich winkte dem Kellner.
    »Nein, warte einen Moment«, sagte sie. Sie putzte sich kräftig die Nase und vergrub die Serviette in ihrem Schoß.
    Ich wartete. Ich wußte, daß ich sie hätte anfassen sollen, in den Arm nehmen, irgendwas, aber ich tat es nicht, weil wir uns in der verdammten Öffentlichkeit befanden. Ich kam mir saublöd vor.
    »Ich möchte, daß du ein paar Sachen verstehst«, sagte sie.
    «Will ich aber nicht«, gab ich zurück. »Ist mir egal.«
    Das war ganz und gar nicht wahr. Ich wollte nur nicht, daß sie weinte. Sie sah verletzt aus, zutiefst verletzt.
    Alles, was ich wollte, war, sie jetzt sofort in den Arm zu nehmen. Wahrscheinlich dachten alle, die uns beobachteten: Was hat ihr dieser Saukerl angetan, daß sie so weinen muß?
    Sie putzte sich noch mal die Nase und wischte sich die Tränen ab. Schließlich sagte sie: »Was dich betrifft, ist alles in Ordnung. Sie wissen, daß ich dich hinters Licht geführt habe. Das habe ich ihnen gesagt. Und ich werde mich vergewissern, daß sie es begriffen haben, wenn ich das nächste Mal mit ihnen rede. Sie sind verdammt hartnäckig. Die Hauptsache ist, daß sie wissen, daß ich dich mitgenommen habe, daß du das Opfer in dieser ganzen Geschichte bist, daß es meine Idee war. Ich habe dich gekidnappt.«
    Ich konnte nicht anders, ich mußte lächeln.
    »Und was sollst du tun?« fragte ich.
    »Nun, sie wollen, daß ich dich zurückbringe, natürlich. Ich habe die Regeln verletzt. Ich habe deinen Vertrag gebrochen.« Die Tränen stiegen wieder auf, aber sie schluckte sie runter und versuchte, ganz ruhig zu bleiben, während sie den Blick von mir abwandte. »Es ist eine ziemlich schlimme Sache, so was zu tun, verstehst

Weitere Kostenlose Bücher