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Exit

Exit

Titel: Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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sagte keinen Ton. Ich dachte schon, das war's dann wohl, ab jetzt bin ich nur noch Privatdetektiv, doch als er mit mir fertig war, dankte mir Hünengart für meine Hilfe und sagte, es sei eine Schande, daß ein Kerl mit meiner Erfahrung vor dem Bildschirm hängt, anstatt Verbrechen aufzuklären. Mein Chef sah aus, als hätte er Jauche gesoffen, aber er hielt den Mund. Dann fragte Hünengart, ob er mich für seinen Fall ausleihen könnte. Mein Chef sagte verdattert, sicher, es sei schon immer geplant gewesen, mich wieder in den aktiven Dienst zu nehmen. Hünengart und ich gingen zusammen aus dem Büro, und sobald wir allein waren, sagte er, daß ich ihm als Person scheißegal wäre, daß sein Fall gegen Jones kurz vor dem Abschluß steht und daß ich mich deswegen hüten soll, ihm bei dessen Vernichtung in die Quere zu kommen.«
    »Vernichtung - hm.«
    »So ist er eben. Ein richtiges Seelchen… Dann sagte er:
    ›Wie war's mit einem Handel? Sie machen mir keine Schwierigkeiten, und ich werde Ihnen helfen.‹ Stephanie hatte ihm von Cassie erzählt, aber er hatte nichts unternommen, weil es keine ausreichenden Beweise gab, jedenfalls bisher nicht.«
    »Und was hat sich daran so plötzlich geändert?«
    »Wahrscheinlich denkt er, den Großpapa hat er jetzt sicher im Sack, und nun kommt er auf den Geschmack und will gleich die ganze Familie fertigmachen. Es würde mich nicht überraschen, wenn er Cassies Martyrium irgendwie genösse - als Teil des Fluchs, der auf der Familie Jones liegt. Er haßt sie inbrünstig, Alex. Andererseits, was sollten wir ohne ihn machen? Profitieren wir also von ihm und sehen, was passiert.«
    Auf dem Bildschirm bewegte sich etwas. Dann wieder Ruhe. Mein Genick war steif; ich veränderte meine Position, ohne die Augen vom Monitor zu wenden.
    Hünengart war immer noch bei seinen Hausaufgaben. Es waren Stunden vergangen, seitdem ich mir das letztemal seine Aufmerksamkeit verdient hatte. Die Zeit verging mit quälender Langsamkeit.
    Wieder bewegte sich etwas, ein schwarzer Schatten in der Bildecke oben rechts. Dann wieder nichts; ich wartete weiter. Dann…
    »He«, rief ich.
    Hünengart schaute widerstrebend von seinem Dokument auf. Der Schatten im Bild wurde größer und heller und nahm Gestalt an, weiß und verschwommen. Eine Hand. Ein Gegenstand zwischen Daumen und Zeigefinger.
    Hünengart richtete sich auf.
    »Los!« sagte ich. »Es ist soweit!«
    Er lächelte.
    Die Hand auf dem Bildschirm bewegte sich, wurde größer, groß und weiß …
    »Nun machen Sie schon!« drängte ich.
    Hünengart legte seinen Artikel weg und kam zu mir herüber.
    Die Hand bewegte sich auf den Tropfregler zu. Hünengart schien das Bild zu genießen. Ein breites Lächeln erschien unter seinem kleinen Schnurrbart.
    Das Ding zwischen den Fingern der Hand näherte sich einer kleinen Gummimembran am Tropfregler. Hünengart hielt das Funkgerät vor den Mund und sagte: »Auf die Plätze.«
    Das Ding zwischen den Fingern hatte eine feine Spitze. Ein weißer Zylinder, einem Kugelschreiber nicht unähnlich, mit ultrafeiner Nadel. Es schnellte vor und stach in die Membran.
    »Los!« rief Hünengart in sein Funkgerät.

31
    Zimmer 505W stand schon weit offen. Cassie lag in ihrem Bett auf dem Rücken und atmete durch den Mund. Der Tiefschlaf nach einem Anfall. Sie war bis zum Hals zugedeckt. Unter der Bettdecke schlängelten sich die Schläuche der Tropfanlage hervor.
    Auch Cindy schlief. Sie lag auf dem Bauch und ließ einen Arm aus dem Bett baumeln.
    Milo stand neben dem Tropfgestell. Er trug einen formlosen grünen Chirurgenanzug. An seinem Hemd klemmte ein Krankenhausausweis, Dr. M. B. Sturgis, mit einem Foto, auf dem er recht verdrießlich aussah.
    Sein wirkliches Gesicht in diesem Moment war polizeigeschäftsmäßig, unbeteiligt. Mit einer seiner fleischigen Hände umklammerte er Chip Jones' Handgelenk, mit der anderen drehte er dessen Arm auf den Rücken. Chip schrie vor Schmerzen.
    Milo überhörte das und betete ihm seine Rechte vor.
    Chip trug einen kamelhaarfarbenen Jogginganzug und braune Laufschuhe. Sein Rücken krümmte sich unter Milos Griff, seine Augen waren glasig und vor Angst weit aufgerissen.
    Seine Angst machte mich so wütend, daß ich ihn hätte umbringen können.
    Ich rannte zum Bett und sah nach dem Tropfventil. Es war versiegelt - mit Kleber verschlossen. Das war Stephanies Idee gewesen. Nichts aus dem Zylinder konnte in Cassies Blutbahn gelangen. Eine gute Idee, aber auch riskant. Ein paar Sekunden

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