Exit
Studenten machte.
Er ist tatsächlich ein Exhibitionist, Steph, und wir waren blind dafür, weil die Bücher sagen, es sind immer Frauen.«
»Er hat Chad umgebracht, nicht wahr?«
»Das ist sehr wahrscheinlich.«
»Warum, Alex? Warum benutzt er die eigenen Kinder, um seine Frau zu treffen?«
»Ich weiß nicht, aber eins kann ich dir sagen: Er haßt Cassie.
Bevor Milo ihn abführte, hat er sie in einer Weise angeschaut, die mich erschauern ließ. Der reine Haß. Wenn das auf Band ist und es bei Gericht zugelassen wird, dann ist das alles, was der Ankläger braucht.«
Stephanie streichelte Cassies Haar.
»Das arme Baby. Das arme, kleine, unschuldige Baby.«
Ich saß da und wollte nicht denken, nicht reden und nichts fühlen. Zu meinen Füßen saß ein Trio von Stoffhasen. Ich hob einen auf. In seinem Bauch fühlte ich etwas Hartes. Ich knöpfte die Klappe auf und stocherte in der Schaumfüllung, genau wie ich es bei Cassie zu Hause getan hatte, und diesmal wurde ich fündig. Es war ein kleines Päckchen, etwa zwei Zentimeter im Durchmesser, eingepackt in Papiertuch, zusammengehalten mit Tesafilm. Ich öffnete es und fand vier blaßblaue Pillen, jede mit einer herzförmigen Kerbe.
»Valium«, sagte Stephanie.
»Das also ist das geheime Lager.« Ich packte die Pillen wieder ein und legte sie für Milo beiseite. »Deshalb hat er so betont, daß er nichts bei sich hatte. Es ist alles ein Spiel für ihn.«
»Vicki hat diese Hasen gekauft. Vicki hat damit angefangen.«
»Mit der werde ich als nächstes reden.«
Im Kinderbett piepste es. Cassies Augen öffnete sich zaghaft. Ihr kleiner Mund arbeitete. Sie blinzelte. Stephanie beugte sich zu ihr hinunter.
»Ja, meine Kleine?«
Cassie brachte einen Laut zustande.
»Es ist gut, mein Schatz. Es wird alles gut. Du wirst bald gesund sein.«
Cassie blinzelte in die Welt und zitterte. Sie versuchte, sich zu bewegen, schaffte es nicht und weinte vor Enttäuschung. Grübchen in ihren Wangen, Grübchen im Kinn.
Stephanie nahm sie aus dem Bett und wiegte sie. Cassie versuchte, sich ihr zu entziehen. Sie kämpfte, genau wie sie gegen mich gekämpft hatte, als ich sie trösten wollte. War es die Angst ihrer Mutter, die sie abwehrte, oder war es die Erinnerung an einen Mann, der nachts kam, wenn es dunkel war, und ihr weh tat?
Doch warum war sie nicht in Panik ausgebrochen, wenn Chip erschien? Wieso hatte sie sich so unbesorgt an ihn geschmiegt, als ich sie das erstemal zusammen sah?
»Geh wieder schlafen, mein Baby«, sagte Stephanie. Die Kleine schloß die Augen. Kurz danach leises Schnarchen. Stephanie hielt sie noch für ein paar Augenblicke, dann legte sie sie ins Bett zurück.
»Ich scheine ein Händchen dafür zu haben«, sagte sie traurig. Dann hängte sie sich ihr Stethoskop um den Hals und ging hinaus.
33
Bald darauf erschienen eine Schwester und eine Polizistin. Ich gab der Polizistin das Päckchen Valium und stolperte aus der Station.
Ich fuhr mit dem Fahrstuhl ins Untergeschoß. Die Cafeteria war geschlossen. Ich ließ mir einen Automatenkaffee heraus, suchte ein Telefon und fragte die Auskunft nach Jennifer Leavitts Nummer. Unbekannt. Bevor man am anderen Ende auflegte, bat ich, nach irgendwelchen Leavitts im Bezirk Fairfax zu suchen. Es gab zwei. Eine der beiden Nummern klang vage nach Jennifers Eltern, soweit ich mich erinnern konnte.
Es war halb zehn. Ich wußte noch, daß Mr. Leavitt früh schlafen ging, weil er morgens um fünf mit dem Backen anfangen mußte. Ich hoffte, es war nicht zu spät, und wählte.
Ich hatte Glück. Ihre Mutter kam an den Apparat, wir plauderten ein bißchen - sie war sehr stolz auf ihr Wunderkind -, dann gab sie mir die Nummern von Jennifers Apartment und von ihrem Büro an der Uni.
Im Apartment meldete sich niemand, doch im Büro hörte ich nach dem ersten Rufton ihre Stimme: »Leavitt.«
»Jennifer, hier ist Alex Delaware.«
»Hallo, Alex. Hast du dein Münchhausen-Problem geknackt?«
»Es war ein Krimi, sag ich dir, aber er ist noch nicht ganz zu Ende. Immerhin wissen wir nun, daß es der Vater war.«
»Na, das ist vielleicht eine Wendung! Es ist also nicht immer die Mutter.«
»Er hatte damit gerechnet, daß wir das denken. Das war sein Dreh, sie fertigzumachen.«
»Nicht ungeschickt.«
»Er hält sich für einen Intellektuellen. Er ist ein Professor.«
»Hier etwa?«
»Nein, an einer Oberschule. Ich habe das Gefühl, daß er ausgiebig über das Syndrom gelesen hat, um einen Musterfall zu produzieren. Sein
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