Exit
sah, dachte ich: Komisch, was macht diese Punknutte mit so einem Macker? Er paßte nicht in die Szene. Alles, was sich um die Zeit da trifft, sind Freaks, Hispanos und Nigger. Und Bullen - zuerst dachte ich, er könnte ein Bulle sein. Dann dachte ich, er sieht eher wie ein schwerer Junge aus. Kein großer Unterschied.«
»Hatte er irgend etwas in der Hand?«
»Sie meinen etwas, womit er ihr hätte weh tun können?
Das hab ich nicht gesehen. Meint ihr wirklich, er hätte es getan?«
»Wie sah sein Gesicht aus?«
»Normal… bißchen eckig, vielleicht.«
»Hautfarbe?«
»Er war weiß.«
»Blaß oder eher dunkel?«
»Keine Ahnung, weiß eben.«
»Würdest du den Kerl wiedererkennen, wenn du ihn siehst?«
»Wieso?« fragte er ängstlich. »Heißt das, ihr habt jemanden geschnappt?«
»Nein. Würdest du ihn erkennen?«
»Na klar, sicher«, sagte er sarkastisch, »ich hab ein Spitzengedächtnis. Macht nur eine Gegenüberstellung, und ich zeige mit dem Finger auf ihn, damit er weiß, wen er als nächstes abmurksen soll, nachdem ihr ihn wieder laufengelassen habt.«
Wir gingen über einen mit Schotter aufgefüllten Graben zur Straße zurück. Milo schob Gabray vor sich her und quetschte ihn die ganze Zeit weiter aus, ohne mehr aus ihm herauszube kommen.
Wir erreichten unseren Wagen, Milo nahm seinen Koffer heraus, öffnete eine hintere Tür und setzte sich mit Gabray auf die Rückbank. Ich blieb draußen stehen und sah zu, wie Milo den Koffer öffnete und einen Ordner mit dem Etikett IDEN-TIKIT herausnahm. Er zeigte Gabray eine Reihe von Folien mit verschiedenen gezeichneten Gesichtspartien. Gabray suchte sich einige aus und fabrizierte am Ende ein charakterloses, flaches, weißes Gesicht. Milo schaute es an, klebte die Folien zusammen und schrieb etwas auf. Dann ließ er Gabray mit einem gelben Stift Punkte auf einer Straßenkarte markieren. Nach ein paar weiteren Fragen stiegen sie beide aus. Trotz der milden Nacht hatte der Barkeeper Gänsehaut auf den Schultern.
»War das jetzt alles?« fragte er.
»Im Moment, ja, Robert. Es ist sicher nicht nötig, dir das zu sagen, aber ich sag es trotzdem: Keinen Adressenwechsel bitte. Bleib, wo ich dich finden kann, und benimm dich.«
»Kein Problem«, sagte Gabray und wollte gehen, doch Milo hielt ihn am Arm fest. »Hast du verstanden, Robert?«
»Ja, ja. Bleib, wo du bist, und sei ein guter Junge, und jeden Tag eine gute Tat, okay? Kann ich jetzt gehen?«
»Moment noch, Robert. Deine Freundin -«
»Ja? Was ist mit ihr?« Seine Stimme war plötzlich hart und kalt. Vielleicht war er nicht nur das zitternde Würstchen, als das er sich mir bisher dargestellt hatte.
»Sie hat die Fliege gemacht, und hüte dich, auch nur im Traum daran zu denken, hinter ihr herzurennen. Und hüte dich besonders, ihr etwas anzutun, weil sie mit mir geredet hat. Ich hätte dich auch ohne sie gefunden.«
Gabray schaute ihn mit großen Augen an. »Die Fliege gemacht? Was, zum Teufel, soll das heißen?«
»Sie ist weg. Sie hat genug, Robert.«
»O Scheiße!«
»Sie war gerade beim Packen, als ich anrief. Sie wirkte ziemlich mitgenommen von deiner Auffassung von trauter Zweisamkeit.«
Gabray sagte nichts.
»Sie hatte genug davon, von dir verprügelt zu werden, Robert.«
Gabray ließ die Zigarette fallen und trat sie wütend aus.
»Sie lügt«, sagte er, »sie lügt, die verdammte Nutte!«
»Sie hat die Kaution für dich bezahlt.«
»Das war sie mir schuldig. Sie schuldet mir immer noch Geld.«
»Vergiß es, Robert.«
»Okay«, sagte Gabray, »ist ja auch egal, was soll ich mich aufregen. Das Leben geht weiter.«
23
Auf der Fahrt zu mir studierte Milo das Identikit-Gesicht.
»Meinst du, er ist zuverlässig?«
»Nicht besonders, aber in dem unwahrscheinlichen Fall, daß je ein echter Verdächtiger auftaucht, könnte das Bild nützlich sein.«
Als ich an einer roten Ampel halten mußte, schaute ich mir das Bild an. »Ein Gesicht wie tausend andere. Es könnte Hünengart sein, bis auf den Schnurrbart. Aber Hünengart ist jünger als der Kerl, den Gabray beschrieben hat, Mitte Dreißig. Und sein Gesicht ist etwas voller. Der Schnurrbart wäre aus der Entfernung kaum zu erkennen, oder er hat ihn sich erst danach wachsen lassen. Sagtest du nicht auch, er könnte ein ehemaliger Häftling sein?«
Die Ampel schaltete auf Grün, und ich fuhr weiter Richtung Hauptstraße. Um kurz nach drei waren wir wieder bei mir zu Hause. Milo fuhr in seinem Porsche davon, und ich schlüpfte ins
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