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Exit

Exit

Titel: Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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hatte sie die Küche verlassen, begann ich sofort, in Schubladen und Schränke zu schauen. Ich kam mir dabei idiotisch vor. In den Schränken fand ich nichts außer Putzmitteln und Fertignahrung. Ich ging zu der Seitentür, durch die sie verschwunden war, und entdeckte dahinter ein Badezimmer und einen Geräteraum, die ich auch gleich inspizierte. Eine Waschmaschine mit Trockner und Schränke voller Waschpulver und Weichspüler und Aufheller, all die Dinge, die unser Leben sauber, weich und duftig machen, das meiste davon giftig, aber was bewies das schon? Ich hörte Schritte und huschte zum Tisch zurück.
    Sie trug jetzt eine weite gelbe Bluse, ausgebeulte Jeans und Sandalen - ihre gewohnte Krankenhausuniform. Ihr Haar war lose zusammengeknotet. Ihr Gesicht wirkte zerknittert.
    »Tut mir leid«, sagte sie. »Wie kann man nur so ungeschickt sein?«
    Sie ging zum Kühlschrank, bot mir noch einen Eistee an, den ich dankend ablehnte, und nahm sich eine Dose Cola, mit der sie sich mir gegenüber setzte.
    »Hatten Sie eine gute Fahrt?«
    »Ja, sehr hübsch.«
    »Die Strecke ist sehr angenehm, wenn nicht viel Verkehr ist.«
    »Ja, sehr.«
    »Sie wollen demnächst den Anschluß an die Autobahn fertigbauen …«
    Sie redete und redete, übers Wetter und über den Garten. Dabei rieb sie sich ständig die Stirn.
    Sie gab sich alle Mühe, locker zu wirken, und doch machte sie den Eindruck, eine Fremde im eigenen Haus zu sein. Ihre Konversation war steif und unsicher, als hätte sie alles auswendig gelernt und Angst, etwas zu vergessen.
    Die Aussicht durch das große Fenster bot nichts als trostlose, unbewegte Öde.
    Warum lebten sie hier? Warum hatte sich Chuck Jones' einziger Sohn in die Vorstadtquarantäne seiner eigenen, aus dem Boden gestampften Wohnsiedlung verbannt, obwohl er genug Geld haben mußte, zu wohnen, wo er wollte? Die Nähe zum College war keine Erklärung. Das westliche Ende des Tales war übersät mit zauberhaften Grundstücken und Country-Club-Siedlungen. Gehörte es zu seiner rebellischen Attitüde? War es Teil seiner Weltanschauung, daß er in der Gemeinschaft leben wollte, die er aufzubauen plante? Es konnte durchaus auch die Geste eines Linken sein, der seine Schuldgefühle wegen der Riesenprofite, die er macht, verdrängen will. Obwohl solche Profite hier offenbar in weiter Ferne lagen.
    Ein anderes Szenario hätte allerdings auch gepaßt: Eltern, die ihre Kinder mißhandeln, neigen dazu, sich abzusondern und ihre Familien von möglichen Anklägern zu isolieren.
    Cindys Stimme drang wieder zu mir durch. Sie redete über ihre Spülmaschine. In einem nervösen Wortschwall erzählte sie mir, daß sie sie selten benutzte und sich lieber Handschuhe anzog und mit kochendheißem Wasser wusch, so daß das Geschirr sofort trocknete. Sie redete angeregt, als hätte ihr seit langem niemand mehr zugehört. Was vermutlich stimmte, denn ich konnte mir kaum vorstellen, daß Chip sich zu ihr setzte und über den Haushalt plauderte.
    Ich fragte mich, wie viele von den Büchern im Wohnzimmer wohl ihr gehörten und was die beiden überhaupt gemeinsam hatten.
    Als sie eine Atempause machte, warf ich ein: »Sie haben ein wirklich schönes Haus.«
    Das war vollkommen aus dem Zusammenhang, aber sie dankte mir mit einem strahlenden Lächeln und einem Blick aus ihren großen dunklen Augen. Wie hübsch sie sein konnte, wenn sie sich freute.
    »Soll ich Ihnen den Rest zeigen?« fragte sie.
    »Ja, gern.«
    Wir gingen ins Eßzimmer, und sie zeigte mir das silberne Besteck von ihrer Hochzeit, Stück für Stück. Als nächstes war das Wohnzimmer - oder die Bibliothek - an der Reihe, wo sie mir erzählte, wie schwer es gewesen war, einen Tischler zu finden, der massive, gute Regale bauen konnte.
    Ich gab vor, zuzuhören, während ich in Wirklichkeit die Buchrücken musterte. Meistens waren es wissenschaftliche Titel: Soziologie, Psychologie, Politik. Dazwischen vereinzelte Romane, aber nichts moderner als Hemingway.
    In Lücken zwischen den Büchern hingen Zeugnisse und Urkunden. Eine davon, eine Messingtafel, trug die Gravierung: MlT HERZLICHEM DANK AN MR. C. L. JONES III. SlE HABEN UNS GEZEIGT, DASS LEHRER UND SCHÜLER FREUNDE SEIN KÖNNEN. - LOURDES HlGH-SCHOOL, FORTGESCHRITTENE STUDIENGRUPPE.Die Tafel war zehn Jahre alt.
    Darunter hing eine Urkunde aus Yale für CHARLES »CHIP« JONES, IN ANERKENNUNGSEINERGROSSENVERDIENSTEUMDIEKINDERDERFREIENKLINIK,NEWHAVEN.
    In einem der höheren Regale hing eine weitere Auszeichnung von einer

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