Exit
aussieht wie Hünengart. Hünengart konfisziert Ashmores Daten.
Die Erpressungsversion lag sogar für zufällige Beobachter wie Dr. Janos auf der Hand. Wenn aber Ashmore und Herbert beide darin verwickelt waren, warum mußte die Frau dann als erste sterben? Und warum hatte Hünengart nach ihrem Tod soviel Zeit verstreichen lassen, bevor er nach den Disketten fragte? Im Fall Ashmore wartete er kaum eine Nacht, bevor er sich über dessen Computer hermachte. Hatte er vielleicht erst aus Ashmores Daten entnommen, daß die Disketten existierten?
Schließlich legte ich mir eine plausible Chronologie zurecht: Herbert hatte als erste auf eine Verbindung zwischen dem Tod des kleinen Chad und Cassies Erkrankungen getippt. Sie verschaffte sich Chads Akte, fand ihren Verdacht bestätigt, speicherte ihre Erkenntnisse - als Zufallszahlen getarnt - auf einer Diskette, die sie in ihrem Schrank in der Uni versteckte, und begann der Familie Jones die Daumenschrauben anzusetzen. Doch vorher hatte sie eine Kopie ihrer Daten angelegt, und zwar in einem von Ashmores Computern ohne dessen Wissen. Zwei Monate nach ihrem Tod fand Ashmore das File und versuchte, daraus Gewinn zu schlagen.
Immer noch geldgierig, trotz seines Millionenbudgets.
Vielleicht hatten Ashmore und Herbert auch auf ganz unabhängigen Schienen operiert. Er hängte sich an Chuck, weil er irgendwelchen Finanzschiebereien auf die Spur gekommen war, und sie versuchte Chip und Cindy wegen der Kindesmißhandlungen zu melken.
Zwei Erpresser im selben Labor? Es konnte einfach nicht wahr sein. Ich grübelte noch eine Weile über Geld und Mord, Dollars und Wissenschaft und konnte mir keinen Reim darauf machen.
Ich schaute auf die Uhr. Es war kurz nach Mittag, noch über zwei Stunden bis zu dem Termin bei Cassie und ihrer Mutter. Vielleicht sollte ich einen Besuch beim Vater einschieben.
Ich rief das West Valley Community College an, um mir den Weg dorthin erklären zu lassen. Bei flüssigem Verkehr waren es vierzig Minuten zu fahren. Ich machte mich sofort auf den Weg und fand das College ohne Schwierigkeiten. Es war das einzige Gebäude weit und breit, mit eigener, nagelneuer Autobahnausfahrt.
Der Campus war nicht zu vergleichen mit dem, den ich gerade verlassen hatte. Soweit ich sehen konnte, bestand er aus einer Reihe von Fertigbungalows und Bauhütten hinter einem riesigen, fast leeren Parkplatz auf fünf Hektar Beton und Schotter, dazwischen trostlose, flüchtig angelegte Grünflächen und nackte Betonfußwege.
Ich stieg aus und fand unter den vereinzelten Studenten, die mir begegneten, einen, der mir sagen konnte, wo die Soziologie war. Die Sekretärin dort sah aus, als hätte sie selbst gerade die Schule hinter sich. Als ich sie fragte, ob Professor Jones auf dem Gelände war, mußte sie einen Stundenplan zu Rate ziehen.
»Ja, er hatte gerade eine Klasse drüben in Fünf-J.«
»Wann ist die vorbei?«
»In einer Stunde - es ist ein zweistündiges Seminar, von zwölf bis zwei.«
»Macht er eine Pause?«
»Ich weiß nicht.« Sie drehte mir den Rücken zu, und ich trollte mich.
5J war eine von drei Baubuden auf der Westseite des Campus, direkt neben einem flachen Graben. Trotz der Hitze hielt Chip Jones seinen Unterricht im Freien auf einer der spärlichen Grünflächen, im Schatten einer jungen Eiche. Die zwei Burschen unter seinen zehn Studenten saßen hinten, die Mädchen im Kreis zu seinen Füßen.
In etwa hundert Meter Entfernung blieb ich stehen. Sein Gesicht war halb abgewandt, seine Arme wedelten in der Luft. Er trug ein weißes Polohemd und Jeans. Obwohl er im Schneidersitz saß, gelang es ihm, eine Menge Körpersprache in seinen Vortrag zu bringen.
Mir wurde klar, daß ich ihm nichts zu sagen hatte, daß es überhaupt keinen Grund für meine Anwesenheit gab, und wollte schon weggehen, als ich jemanden rufen hörte. Ich drehte mich um und sah, daß er mir zuwinkte. Er sagte etwas zu seiner Klasse, sprang auf und lief auf mich zu. Als er näher kam, fiel mir sein besorgter Gesichtsausdruck auf.
»Ich dachte schon, daß Sie es sind. Ist alles in Ordnung?«
»O ja, kein Grund zur Sorge. Ich dachte nur, ich schaue bei Ihnen vorbei, bevor ich zu Ihrem Haus fahre.«
»Da bin ich aber erleichtert. Ich wünschte, Sie hätten mir Bescheid gesagt, dann hätte ich mich auf Ihren Besuch einrichten können. Jetzt habe ich noch bis zwei Uhr Seminar. Sie können gern hier bleiben und zuhören, aber wahrscheinlich interessieren Sie sich nicht sehr für die Struktur
Weitere Kostenlose Bücher