Expedition ins Paradies
zu probieren. Die Frau, deretwegen er sie verlassen hatte? Mit bebenden Fingern stellte Elizabeth ihre Tasse ab, dabei schwappte etwas Tee auf den Unterteller.
Es befremdete sie, dass Tom sich nicht zu ihr an den Tisch setzte. “Ich bin draußen im Garten, um mir die Beine zu vertreten”, sagte er. “Komm raus, wenn du fertig bist, ja?”
Nachdenklich beobachtete Elizabeth ihn, als er davonging. Vielleicht war er deshalb so drahtig geworden - er bewegte sich mehr, statt den ganzen Tag im Geländewagen oder Hubschrauber zu sitzen, wie er es früher getan hatte. Und er aß Obst, nicht mehr Kuchen und Pralinen, und trank Wasser statt Bier und kalorienreiche Limonaden und Colas. Hatte seine Freundin ihn wegen seines Gewichts gehänselt, ihm so lange zugesetzt, bis er die ungesunden Gewohnheiten abgelegt hatte?
Unwillkürlich seufzte Elizabeth. Sie selbst hatte an Toms Aussehen nie Anstoß genommen, sondern ihn so geliebt, wie er war. Vielleicht hätte sie auch versuchen sollen, ihn zu beeinflussen. Jetzt sah er toll aus. Er war völlig verwandelt. Natürlich war er schon immer ein gut aussehender, beeindruckender Typ gewesen, aber jetzt sah er einfach phantastisch aus -
tausend Mal attraktiver als vor eineinhalb Jahren.
Seine ehemals vollen Wangen wiesen jetzt markante Linien auf. Sein kantiges Kinn war nicht mehr von einem Bart verborgen. Auch Toms Gang war sportlich federnd geworden. Tom strahlte geballte Kraft und Energie aus, so hatte Elizabeth ihn nie gekannt.
Dieser neue sexy Mann war wie reines Dynamit!
Und das auf mehr als nur eine Weise. Dynamit war gefährlich, das durfte sie nicht vergessen.
Es konnte tödlich sein. Tom hatte sie bereits einmal fast zerstört.
Entschlossen biss Elizabeth in das Zimtstück und versuchte, die beunruhigenden Bilder aus ihren Gedanken zu verdrängen.
Während sie weiterfuhren, widmete Elizabeth sich bewusst der vorbeiziehenden Landschaft, obwohl es nur Eukalyptusbäume und eintönige, mit Schraubenpalmen bewachsene Grasflächen gab. Die Ureinwohner Australiens nutzten die Blätter dieser Bäume, indem sie daraus Körbe und Hüte fertigten und die Kerne der holzartigen Frucht aßen.
Während sie durch das Eingangstor des Kakadu National Parks fuhren, deutete Tom auf das umliegende Buschland. “Du erlebst das hier zu einem günstigen Zeitpunkt, Elizabeth. Das Gras ist noch grün, und es blühen genug Blumen, um dem Park Farbe zu verleihen. In wenigen Wochen ist hier alles braun und knochentrocken.”
“Deswegen wo llte ich ja auch unbedingt jetzt herkommen”, erwiderte Elizabeth steif. Der einzige Grund, warum ich überhaupt hier bin, sagte ihr Blick. Nachdem sie einige Minuten geschwiegen hatten, fragte sie: “Gibt es hier viele Tiere? Mir sind zwar einige Vögel aufgefallen, aber sonst habe ich noch keine Lebewesen gesehen.”
“Während der Tageshitze wirst du auch kaum welche zu Gesicht bekommen, schon gar nicht vom Auto aus. Aber sie sind da, keine Sorge, besonders in der Nähe der Wasserstellen und Quellen.”
“Was für Tiere gibt es hier denn?”
“Na ja, da haben wir die großen und kleineren Kängurus, Eidechsen, Opossums, Beutelflughörnchen, Skunks, Schlangen … und hier und da ein Krokodil.” Tom warf Elizabeth einen prüfenden Blick zu, als erwartete er, dass sie jetzt scha udern oder aufschreien würde.
“Und unzählige Vogelarten. Wenn wir draußen zelten, wirst du sehen, was ich meine.”
Wenn wir draußen zelten … Aber wenigstens noch nicht heute Nacht. Elizabeth atmete vorsichtig aus und war nicht sicher, ob sie jetzt erleichtert oder beunruhigt sein sollte.
Während sie weiter in den Nationalpark hineinfuhren, begann ihr Herz, schneller zu schlagen, und Schauer der Erregung überliefen sie.
Das war das wirkliche Australien, das alte, von der modernen Zivilisation noch vergleichsweise unberührte Land. Die Aborigenes, die Ureinwohner des Kontinents, hatten den Kakadu - ein Gebiet so groß wie Wales - schon vor über fünfzigtausend Jahren bewohnt und lebten und arbeiteten hier auch jetzt noch als Parkverwalter, Wärter, Führer, Künstler und Schützer der berühmten Felshöhlenzeichnungen. Natürlich waren sie auch in den Touristenläden und Kulturzentren anzutreffen.
“Da … jetzt kannst du die Schichtstufe sehen.” Tom deutete geradeaus auf zerklüftete Sandsteinklippen, die sich aus dem Bus chland erhoben und eine natürliche Grenze zwischen dem Kakadu National Park und dem Arnheim-Land bildeten. “Jetzt sind wir bald in
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