Expedition Mikro
natürlich keine Macht mehr, aber noch stark – und leider nicht ausschließlich bei den Älteren –, wenn er auch streng von der Staatsmacht getrennt ist. Wir, alle fortschrittlichen Workmen im Bündnis mit Gutgesinnten der ehemaligen Elite, haben die Macht, stellen aber immer noch fest, daß Unaufrichtigkeit dem Neuen gegenüber, gegenseitiges Mißtrauen, Schönfärbertum, Heuchelei und egoistisches Wohlstandsdenken vieler aus der ehemaligen Eliteschicht, aber nicht nur aus ihr, hinter scheinbarem Staatsbewußtsein stehen. Selbst die Regierung kämpft um Maßstäbe, die zum Freund-Feind-Erkennen nun einmal unerläßlich sind.
Ihr könnt hieraus ermessen, wie das Ergebnis unserer Expedition, der Kontakt zu euch, einzuordnen ist. Welche Wende sich dadurch bei uns vollziehen wird. Erst das ist der eigentliche Sieg über Mystizismus und Manipulation, selbst wenn ihr uns nicht helfen könnt – oder wollt.« Es war für Karl Nilpach eine ungewöhnliche ernste Rede gewesen, die bei den Großen ihre Wirkung nicht verfehlte.
»Nun, daß wir euch helfen können, steht wahrscheinlich außer Zweifel.« Die Gefährtin Gwen Kaspers machte eine weitausholende Armbewegung und wies auf die mutierten Pflanzen. Dabei geriet ihre Hand aus dem Bereich des Hologramms.
Es schien einen Augenblick, als löse sich ein riesiges Stück aus der Wand und neige sich über den Tisch.
Ev sah, bevor sie weitersprach, auf Hal, der zur Bestätigung nickte. »Ich bin auch überzeugt, daß wir helfen wollen. Das ist keine Frage, obwohl wir für Zusagen nicht kompetent sind.
Aber werden von euch alle diese Hilfe wollen?«
»Ich könnte mir vorstellen«, fügte Gwen Kasper hinzu, »daß aus dieser Körpergröße doch Vorteile erwachsen, daß manche die Welt der Großen gar nicht mehr erstrebenswert finden.
Vielleicht wollen sie nur einen Stopp des Verfalls.«
»Rede nicht solchen Unsinn, Gwen!« entrüstete sich Ev. »Es sieht ja bald so aus, als befürwortest du diese absurde Weltverbesserei jener damaligen Propheten.«
»Es werden wenige sein, die es nicht befürworten. Unser gesicherter Miniraum wird zu klein, und die Makrowelt ist zu feindlich«, sagte Karl Nilpach bestimmt.
»Die Zögerer«, nahm Carol das Wort, »schreckt wohl weniger die Körpergröße als vielmehr, wie ihr lebt!«
»Wieso?« Gwen und Djamila fragten fast gleichzeitig.
»Wir leben doch gut, oder?« setzte Djamila hinzu.
Die kleine Ärztin lächelte verlegen. »Ja –«, sagte sie gedehnt, »aus eurer Sicht sicher!« Sie zuckte die Schultern. »Bei uns ist Geld das Äquivalent aller Waren, nach wie vor. Wenn auch nicht mehr alles käuflich ist. Der allgemeine Lebensstandard ist hoch, aber es gibt Unterschiede. Wahrscheinlich ist es ausgeschlossen, ein gerechtes Lohngefüge zu schaffen. Neulich«, sie verbesserte sich sofort, »es ist ja doch schon über zwei Jahre her, hatten wir eine Arbeitsniederlegung bei den Makroackerbauern.«
Die Großen in der Runde blickten verständnislos.
Carol beeilte sich zu erklären: »Außerhalb der Schutzzone haben wir breite Streifen von Anbauflächen, auf denen wir Makropflanzen züchten. Gemüse beispielsweise.«
»… und Erdbeeren«, mischte sich Karl Nilpach ein, »sehr wirtschaftlich! Eine Makroerdbeere liefert das Kompott für eine vierköpfige Familie – für ein Jahr.«
Wieder kam Lachen in der Runde auf.
»Natürlich brauchen wir für die Ernte eine besondere Technologie und Großmaschinen«, fuhr Carol fort. »Ja, und dann kam der Streik. Die Mikroackerbauern hatten Erschwerniszuschläge, weil sie nicht so technisiert arbeiten. Die Makrobauern dagegen arbeiten risikovoller. Es hätte beinahe eine Versorgungskrise gegeben.«
»Aber ihr hättet doch, verzeih, bei eurer kleinen Bevölkerung beste Voraussetzungen – viel eher als wir –, Geld und soziale Unterschiede abzuschaffen!« Res Strogel beugte sich erregt vor. »Gerade auch, weil ihr aus den Makrokulturen den Überfluß erzeugen könnt. Was meint ihr, wie langsam es bei uns ging! Zuerst wurde für eine Erde ohne Hunger gesorgt. Dann wurde der Tarif für sämtliche öffentliche Verkehrsmittel abgeschafft. Das funktionierte. Niemand fährt auf die Dauer zum Spaß durch das Land, nur weil es nichts kostet. Dann kamen Haushaltgeräte an die Reihe, aber da mußten wir noch eine Art Bezugschein einführen. Jeder durfte zwar alle Geräte haben, aber nur alle zwei Jahre das alte gegen ein neues eintauschen.
Unterdessen war die Fahrzeugproduktion soweit, daß das
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