Expedition Mikro
standen paarweise Betonsockel, eindeutig Reste von Bänken.
»Hier haben sich die Gas- und Bakterienmixer Ihrer Majestät vergnügt«, spöttelte Djamila. »Der Badestrand.«
Wo die Treppe begann – aus der Nähe betrachtet hatte die wellenförmige, etwa einen Meter breite Geröllbahn allerdings nicht mehr viel mit einer Treppe gemein –, war abermals ein Schild mit der bekannten Aufschrift. An einem Pfahl mit einer Kunststoffhaut hatte es die Zeit überdauert.
Professor Fontaine untersuchte das Schild genauer. Mehrmals pfiff er anerkennend durch die Zähne. »Haben sich etwas dabei gedacht«, sagte er dann. Die Schrift befand sich eingegossen zwischen zwei Platten aus organischem Glas, also wahrhaftig nicht nur für Zeitgenossen Nhaks gedacht.
»Wollen wir?« fragte Djamila.
»Willst du mit deinem Zögern beweisen, daß das Schild auch heute noch seine Wirkung nicht verfehlt? Wenn hier stünde ›Selbstschüsse‹, hättest du sicher nur halb so viele Bedenken, hm?«, spottete Hal. »De n Möwen jedenfalls macht es nichts!«
»Schließlich haben sie das Zeug nicht gegen Möwen entwickelt, sondern gegen Menschen.«
»Ich habe auch noch nicht gehört, daß Möwen an Grippe oder Cholera, oder wie das Schreckliche alles hieß, erkranken«, setzte Hal den Disput fort.
»Alles Quatsch«, warf Professor Fontaine ungeduldig ein.
»Die haben sich doch schließlich nicht selbst gefährdet!«
»Es könnte eine Havarie gegeben haben.« Djamila wollte starrköpfig sein.
»Bei dem Preis, den sie noch erzielt haben?« Der Professor winkte ab. Für ihn war der Fall ein für allemal abgetan.
»Kommt«, sagte er und kletterte, die Linke zur Unterstützung einsetzend, die Treppe nach oben.
Auf halber Höhe, sie waren bereits außer Atem – Hal besonders, weil er bei der unbequemen Kletterei noch auf das Kästchen zu achten hatte –, kam der Zaun. Auch er war kaum verschlissen. Unten, dort wo er die Jahrzehnte über die Klippen gescheuert hatte, wurden Korrosionserscheinungen sichtbar.
Wo die Treppe auf den Zaun stieß, befand sich keine Öffnung, was Fontaine zu den Worten veranlaßte: »Also nachträglich angelegt. – Da muß noch ein Landeplatz im Inneren der Insel sein«, folgerte er logisch.
Der Zaun hatte eine Höhe von ungefähr zweieinhalb Meter und war oben nach außen gebogen. Die Pfähle, direkt mit dem felsigen Untergrund vergossen, wiesen den gleichen Überzug auf wie der am Treppenansatz. Ein Warnschild befand sich ebenfalls an der Stelle, weithin sichtbar.
»Was jetzt?« fragte Djamila.
Aber Professor Fontaine war schon unterwegs. Einige Meter neben der Treppe hatte sich nachträglich, von den Zaunerbauern nicht vorausgesehen, eine Erosionsrinne gebildet. Dort hatten Wasser und Geröll den Zaun unterspült.
Wie eine Gemse sprang und kletterte Fontaine und zwängte sich durch die Lücke. Dann lief er jenseits des Zauns zur Treppe zurück und schickte sich an, weiter aufwärts zu stürmen.
Nur durch lautes Rufen konnte Hal ihn zurückhalten und ihm durch eine kleinere Lücke das Kästchen zuschieben.
»Seid ihr nicht bald oben?« fragte plötzlich Gela belustigt.
»Auf der gesamten Expedition wurden wir nicht so durchgeschüttelt wie auf dieser letzten Etappe. Selbst in den Fischmägen ging es wesentlich sanfter zu.«
»Wir haben es gleich geschafft«, keuchte Hal. »Mir wäre ein Luftschiff jetzt auch lieber.« Er kroch durch die Zaunlücke.
Auf der Treppe wartete ungeduldig Fontaine mit dem Kästchen in der Hand. Er dachte offenbar nicht im entferntesten daran, Hal den Transport abzunehmen.
»Die haben euch ganz schön verfrachtet«, sagte Hal zu Gela.
»Es wundert uns gar nicht, daß ihr so lange unentdeckt geblieben seid. Diese raffinierten Tafeln…«
»Welche Tafeln?« fragte Gela. Da wurde Hal bewußt, daß sie diese Warnschriften wahrscheinlich gar nicht – zumindest nicht als solche – kannten. Er berichtete Gela beim weiteren Klettern zwischen argem Schnaufen, was sie bislang auf der Insel entdeckt hatten. Sie hörte ohne Unterbrechung zu. Nur gleich am Anfang hatte sie eingeworfen, daß sie den Bordfunk der »Ozean« mit anschlösse, weil das für die gesamte Mannschaft von Interesse sei.
Dann hatten sie den oberen Rand der Klippen erreicht. Sie standen auf einer leicht abschüssigen, von Flechten und Vogelkot überzogenen Plattform. Vor ihnen dehnte sich eine sanft ansteigende Ebene aus, die von niederem, am Rand der Steilküste arg zerfleddertem Buschwerk und krüppelhaften,
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