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Expedition Mikro

Expedition Mikro

Titel: Expedition Mikro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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oder auch nur einen Lagebericht brachten.
    Eine weitere Verbindung zur Außenwelt gab es nicht, auch nicht zur unmittelbaren Umgebung. Ein Teil der Mannschaft arbeitete beinahe hektisch an Funkanlagen. Es war gewiß die bedeutendste Betätigung. Und diejenigen – Gela gehörte, was sie bedauerte, nicht zu ihnen –, die daran arbeiteten, liefen seit Tagen mit wichtigtuerischen Gesichtern umher. Offenbar waren sie auf dem richtigen Weg, den regen Funkverkehr der Makros verständlich zu machen. Aber Sensationen dieser Art zählten zum Alltag.
    Draußen herrschte blendende Helle.
    »Das ist schön, Harold«, schwärmte Gela.
    Und es war schön. So weit das Auge reichte, glitzerndes Weiß, das sich auf den Schacht zu in hundert und aber hundert reflektierende Riesenkristalle, flach, ebenmäßig und farbenspielend, auflöste. Die Gebilde lagen wirr durcheinander, jedes maß an die zwanzig Fuß im Durchmesser. Dazwischen hingen mannsstarke Eisnadeln. Und dennoch wirkte alles sanft, weich, wie schwebend. Von irgendeinem Untergrund war nirgends etwas zu entdecken. Die Äste über Gela und Chris waren starre Kristallgebirge. Ab und zu löste sich von ihnen ein Teil der Last, dann wirbelte es schwebend durcheinander, stürzte, ohne zu zerbrechen, nach unten, verhakte sich, machte die Schicht über Highlife mächtiger.
    Chris Noloc hatte die falsche Anrede eigenartig berührt. Es war nicht die Kühle der Luft, die sie auf der Plattform empfangen hatte, die kalt nach ihm griff. Sie hatte »Harold« gesagt, einem Lebenden den Namen eines Toten gegeben.
    Er lebt nach wie vor in ihr, dachte Chris und fühlte Traurigkeit. Die Christmasfeier! Es hat keinen Sinn. Sie wird es wohl nie überwinden.
    Chris griff zögernd nach Gelas Hand, er wollte wenigstens etwas sagen, ihr sagen, wie sehr er sie liebte. Er sah in ihr Gesicht. Sie schaute ihn nicht an, blickte weit voraus. Es war ein glückliches Gesicht. Sie hatte ihren Irrtum nicht bemerkt, schien in ihm gefangen.
    Da sagte Chris: »Ja, Gela, herrlich ist das.« Nach einer kleinen Pause fuhr er bitter fort, und er dachte an Harold: »Aber stelle dir vor, wir wären irgendwo dazwischen!« Er deutete unbestimmt in das flirrende Weiß hinaus. »Es wäre das Ende.«
    »Schönheit und Gefahr liegen hier so dicht beieinander!« Gela rückte dichter an Chris heran. Er legte den Arm um ihre Schulter. »Kalt ist es«, sagte sie.
    Rings um den Schacht fielen plötzlich eine Vielzahl von Kristallen vorbei, auf dem Dach polterte es. Vor Gela und Chris pendelte ein solches Gebilde, beängstigend groß, wundervoll in seiner Ebenmäßigkeit, in seinen Reflexen. Ein Zweig des Kristalls hatte sich in der Dachkante verhakt.
    Gela hatte sich unwillkürlich an Chris gedrückt. Jetzt löste sie sich ein wenig verlegen und begann zu lachen.
    Chris versuchte, dem Kristall einen Stoß zu versetzen. Seine Anstrengungen wurden nur sichtbar, wenn er mit seiner Kraft das Pendeln verstärkte.
    Gela beteiligte sich übermütig, ihr Gesicht bekam Farbe, beider Atem dampfte ineinander.
    Plötzlich brach mit einem singenden Laut der Kristallast ab.
    Das Gebilde tanzte in die Tiefe, sie sahen ihm nach.
    Chris blickte auf Gela. Ihre Augen blitzten lustig, gaben dem Gesicht etwas Verschmitztes. Gela richtete sich auf. Da zog sie Chris an sich und küßte sie. Und sie erwiderte seinen Kuß.
    Dann schwiegen sie eine Weile, und dann stellte Chris die Frage, und sie tat ihm leid, sobald er sie ausgesprochen hatte:
    »Wen hast du geküßt, Gela?« Trotzdem wünschte er sich, sie würde erstaunt sein und sagen: Dich, Chris!
    Gela sagte nichts. Sie sah in die Ferne, dann drehte sie sich ihm zu, stellte sich auf die Zehenspitzen, gab Chris einen kleinen Kuß, nahm ihn an der Hand und zog ihn zum Förderkorb.
    Im Gehen sagte sie: »Ist es nicht gleichgültig?«
    Es war mehr als eine Antwort auf eine törichte Frage. Es war etwas, das schmerzte.
    Die nächsten Tage brachten zwei Ereignisse. Die Großfunkanlage der »Ozean II« nahm als Direkthörer am Sprechfunkverkehr der Makrowelt im Ultrakurzwellenbereich teil. Auch der Stützpunkt wurde zweimal am Tag für je eine Stunde von der »Ozean« aus mit diesen Sendungen versorgt. Es waren Sprachund Musiksendungen, allerdings durch Wandler und Adapter für die menschlichen Ohren hörbar gemacht, das heißt, es waren nicht die Originaltöne, die sie hörten. Die meisten und auch die am deutlichsten auszumachenden Stationen sendeten in einer unbekannten, harten Sprache. Ganz selten,

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