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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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Wir lebten nicht mehr im Zeitalter der Atombomben und Raketen. Wir lebten in der Vergangenheit, da die Erde noch groß und flach und voll unbekannter Meere und Kontinente war, in der Vergangenheit, da die Zeit allen gehörte und keinem fehlte.
    Steif und starr von vorausgegangenen Anstrengungen wechselten wir im spärlichen Licht der Paraffinlampen die Wache auf dem schlingernden Pflanzendeck. Es tat unsagbar wohl, in einen warmen Schlafsack zu kriechen. Man wachte mit kräftigem Appetit auf, man war von angenehmen Gefühlen erfüllt. Das Steinzeitleben war nicht zu verachten. Man soll nicht glauben, daß es unseren Vorfahren, die wirklich noch von ihrer Hände Arbeit lebten, nur schlecht ging und daß sie nicht ihren Teil an den Freuden des Lebens hatten.
    Täglich über hundert Kilometer Fahrt nach Westen machte sich auf der Weltkarte bemerkbar, wenn auch der Horizont unverändert blieb - jeden Tag, zu 'jeder Tages- und Nachtzeit. Auch die Wassermassen folgten uns. Der Kanarienstrom ist ein raschfließender Salzwasserstrom. Ständig vom Passatwind begleitet, bahnt er sich seinen Weg gen Sonnenuntergang, nach Westen - nach Westen, Luft, Wasser, alles, was schwimmt und im Winde flattert; nach Westen mit Sonne und Mond.
    Norman und ich standen zusammen auf der Brücke, er mit einem richtigen Sextanten, ich mit einem »Nasometer«. »Nasometer« war Juris stolze Bezeichnung für das selbstgebastelte Instrument, das ich aus zwei Holzplatten geschnitzt hatte, um den Breitengrad zu messen. Sie waren an einem bogenförmig geschnitzten Holzkopf befestigt, der auf die Nase paßte; daher der Name. Den Knopf genau am unteren Rand der Augen, mußte man mit dem linken Auge an einer Holzplatte entlangpeilen, indem man sie genau gegen den Horizont hielt. Die andere Platte war mit einem Lederlappen an den Knopf gehängt und mußte vor dem rechten Auge so gedreht werden, daß sie genau auf den Polarstern zeigte. Der Winkel zwischen den beiden Platten konnte auf einer dritten Platte senkrecht zwischen ihnen abgelesen werden, und dieser Winkel entsprach dem Breitengrad, auf dem wir uns befanden. Dieser äußerst primitive »Nasometer« wurde oft belächelt; doch er war unglaublich einfach und schnell zu benutzen und wies selten einen Fehler von mehr als einem Grad auf. Das reichte aus, um unsere tägliche Position auf einer Karte zu fixieren, und diese kam der tatsächlichen verblüffend nahe, die Norman in eine andere Karte eintrug.
    Nach der unglaublichen Zähigkeit und Tragfähigkeit des Schilfs war die altägyptische Takelung das Interessanteste an dem Papyrusboot. Das Rudersystem war schon lehrreich, denn es verriet, wie der Steuermechanismus der ältesten Seefahrer sich allmählich von schräggestellten Steuerriemen zu aufgehängten Rudern entwickelt hatte. Aber die Takelung verriet noch etwas viel Wichtigeres. Wir hatten sie in allen Details nach den ägyptischen Wandmalereien kopiert. Ein solides Reep ging von der Spitze des Schrägmastes zum Vorsteven des Bootes. Dagegen führte kein entsprechendes Reep von der Mastspitze zum Achtersteven, obwohl ein Stag vorn und eines achtern ausgereicht hätten, um den Schrägmast auf einem Flußboot in ruhigem Wasser aufrecht zu halten. Die altägyptischen Schiffsarchitekten vermieden es indessen auffallend, von der Mastspitze ein Tau ganz nach achtern zu führen. Statt dessen befestigten sie in verschiedener Höhe an jedem der beiden Schrägmasten fünf oder sechs Reeps. Diese Pardunen wurden an jeder Seite des Fahrzeugs von den Masten schräg nach unten in parallelen Reihen hinuntergespannt. Dadurch waren auf dem ganzen hinteren Teil des Bootes keine Maststage, und es konnte sich, ohne an den Mast gebunden zu sein, frei in den Wellen bewegen. Kaum hatte die Ra in den Wellen zu schlingern begonnen, als wir begriffen, wie ungeheuer wichtig dieses eigenartige System war. Der Achtersteven hing wie ein Anhänger an dem Rest des Bootes, der sich frei auf und ab bewegen konnte. Wäre er auch nur mit einem Stag an der Mastspitze befestigt gewesen, wäre der Mast bei der ersten großen Meereswelle gebrochen, die unter uns wegrollte. Bei dem Tanz über die hohen Wellenkämme wurde das Mittelteil der Ra rhythmisch in die Luft gehoben, und gleichzeitig senkten sich Vorder- und Achtersteven mit ihrem ganzen Gewicht in zwei verschiedene Wellentäler. Wenn beide Bootsenden am Mast aufgehängt gewesen wären, hätte der Mast diesem Druck nicht widerstanden und wäre gebrochen. Jetzt hielt der Mast nur

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