Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
hatte, wo er alles gedankenlos von sich werfen konnte und es trotzdem immer an seinem Platz fand, weil die Diener des Hauses – oder seine Frau oder seine Mutter - schon wieder für Ordnung sorgten. Carlo hatte in der Schule des Lebens gelernt, Georges noch nicht; wir mußten ihm Unterricht geben.
Kurz danach war ich mit Georges allein auf der Brücke. Er war tief unglücklich darüber, daß er Carlo grob geantwortet hatte, aber Carlo steckte seine Nase immer in Georges' Privatangelegenheiten. Es war dem aufmerksamen Georges leicht klarzumachen, daß an Bord kein Platz für »Privatangelegenheiten« war - außer in der eigenen Kiste. Keiner war verpflichtet, für andere aufzuräumen, und keiner war berechtigt, drinnen oder draußen Handharpunen, Schwimmflossen, Lektüre, nasse Handtücher, Seife oder Zahnbürste um sich zu verstreuen. An Bord waren alle gleich.
Im nächsten Augenblick waren Georges' Angelgerät, Tonband und schmutzige Wäsche von Deck und Hüttendach aufgesammelt, und Carlo und Georges zogen auf einmal am gleichen Reep.
Das nächste ernste Anzeichen von Unfrieden ließ auf sich warten, bis unsere Zusammenarbeit an Bord so gut funktionierte, daß wir Küchendienst einführten. Carlo hatte sich freiwillig als Koch gemeldet und konnte sich großer Erfolge rühmen. Nun sollten wir anderen der Reihe nach für Ordnung sorgen und jeweils einen Tag die Küchenkisten, Töpfe und Pfannen saubermachen. Die Diensteinteilung wurde mit Kreide an eine Tafel auf der Brücke geschrieben, und keiner dachte daran, daß Abdullah nicht lesen konnte. Er hatte nicht mitbekommen, daß zwei andere vor ihm an der Reihe gewesen waren, und als Santiago ihm die Topfkiste und den Schrubber zeigte, hatte Abdullah Kopfschmerzen und warf sich wütend auf das Bett:
»Ich hab' schon verstanden. Du bist ein Weißer, Santiago, und ich bin ein Schwarzer. Deswegen soll ich euer Diener sein.«
Santiago war ein Friedensapostel, doch dies traf ihn hart. Er fuhr auf.
»Das mußt gerade du mir sagen, Abdullah«, knurrte er ehrlich entrüstet, »wo ich doch seit sechs Jahren aktiv für die Gleichberechtigung der Neger kämpfe. Das Wichtigste an dieser Reise ist ja für mich gerade, daß...«
Abdullah hörte nichts mehr, er zog den Schlafsack über beide Ohren. Als er später hervorguckte, sah er mich flüchtig, als ich mit dem schmutzigen Topfstapel nach achtern vorbeistapfte. Er machte große Augen.
»Wir beide haben uns nur beim Dienst abgelöst«, erklärte ich.
Tags darauf stand Abdullah glücklich achtern und trällerte und sang rhythmische Dschungellieder, während er die Töpfe blankscheuerte.
Am nächsten Tag erlebten wir wieder eine Überraschung.
Georges fragte bescheiden, ob er nicht allein den Küchendienst für den Rest der Reise übernehmen könne, es sei so umständlich, diese Arbeit zu verteilen, und einige von den anderen hätten wichtigere Aufgaben zu erledigen.
Georges, ja ausgerechnet Georges, war nun dauernd für Sauberkeit an Bord zuständig; aber jetzt war die Küche blitzblank, und kein anderer brauchte sich um saubere Töpfe zu kümmern.
Dann kam eine Zeit, in der Norman und Carlo schlecht auf Juri und Georges zu sprechen waren, weil diese nur etwas anfaßten, wenn sie ausdrücklich dazu aufgefordert wurden, während sie selbst oben und unten zu finden waren und über ihre Pflichten hinaus vom frühen Morgen bis in den späten Abend schufteten. Daß Abdullah nicht von selbst die Initiative ergriff, konnten sie akzeptieren, aber die beiden anderen mit ihrer Universitätsbildung brauchten wirklich nicht immer auf eine Einladung zu warten. Im gleichen Maße begannen Juri, Georges und auch Abdullah, sich über Norman und Carlo aufzuregen; sie seien zu militärisch, sie kommandierten, anstatt kameradschaftlich mit ihnen zu plaudern, und sie besaßen nicht die Fähigkeit, sich zu entspannen und einfach das Leben zu genießen. Santiago sei ein intellektueller Spitzbube. Wenn etwas Schweres zu tragen sei, bücke er sich erst und riefe dann andere zu Hilfe; im nächsten Augenblick stünde er selbst nur lächelnd da und gebe Anweisungen, während die Riesen Georges, Juri und Abdullah schufteten. Und dann fühlten sich die einen verletzt, weil ich als Leiter einen Faulpelz nicht aus dem Schlafsack scheuchte, während andere freiwillig arbeiteten. Und die andere Gruppe war der Meinung, ich sollte die Burschen kräftiger anfassen, die militärisch brüllten, statt freundlich zu rufen, denn dies sei kein Marinefahrzeug,
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