Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
Vom Netzwerk:
rotierendes Messer und ein kleiner Hohlkörper mit einem Verschluß, der sich öffnete und Schlamm, Lehm oder Sand hereinließ, je nachdem, was wir in der Tiefe fanden. Je tiefer wir bohrten, um so tiefer drangen wir in die Vergangenheit ein. Der Sumpfrand lag wie ein geschlossenes Buch da, dessen erste Seite unten und dessen letzte Seite oben lag. Ganz unten gab es nur erstarrte Lava und vulkanische Asche aus der Zeit, als sich die Osterinsel feuerspeiend vom Meeresgrund erhoben hatte. Von dem Kraterrand waren allmählich Lehm und Schlamm auf den sterilen Grund hinuntergesickert, nachdem der Vulkan für alle Zeiten erloschen war, und nach und nach füllten sich die oberen Schlammschichten immer mehr mit hermetisch abgeschlossen aufbewahrtem Blütenstaub. Wenn ein Pollenexperte die Schichtung der verschiedenartigen Pollenkörner untersuchte, konnte er uns sagen, in welcher Reihenfolge die einzelnen Farne, Büsche und Bäume mit Strom, Wind, Vögeln und Menschen auf die neugeborene Insel gekommen waren. Jede Pflanze besitzt nämlich ihr individuelles Pollenkorn, das unter dem Mikroskop betrachtet phantasievollen Früchten und Beeren in sonderbarsten Formen und Gestalten gleicht. Detektive verbergen sich hinter vielen Namen. Einige nennen sich Paläobotaniker, um sich der Neugier anderer Menschen zu entziehen. Sie sortieren Pollenkörner mit der gleichen Gründlichkeit, wie andere Fingerabdrücke identifizieren. Wir stopften unsere kleinen Schlammkuchen in numerierte Gläser, um sie später einem vegetabilischen Detektivbüro in Stockholm zu übergeben. So erfuhren wir etwas über Begebenheiten aus der versunkenen Vergangenheit der Insel, etwa über die Herkunft des ersten mystischen Kulturvolkes, das hier im Dunkel der Vergangenheit unbemerkt seine Riesenmonumente errichtet hatte.
    Die Pollenkörner berichteten, diese Insel, die die Europäer nur unfruchtbar und nackt und voller Steinbrüche und Monumente erblickt hatten, sei ursprünglich von der Natur mit grünen Büschen und Bäumen und wiegenden Palmen bepflanzt worden. Aber dann waren plötzlich erfahrene Steinmetz« ins Land gekommen, lange vor den Europäern. Sie brannten den Wald ab. Feuerrauch und Rußpartikel ihrer Verheerungen waren über den Kratersee hinabgeregnet und hatten sich in der Schicht abgelagert, wo die Pollen der Waldbäume plötzlich abnahmen. Die Neuankömmlinge rodeten den Wald, um Land für ihre zahlreichen Steintempel zu gewinnen, sie rotteten die Palmen auf den Vulkanabhängen aus und rissen Torf und Erde von den Kraterwänden, um aus den soliden Felsen der Vulkanwand gigantische Menschenfiguren meißeln zu können. So starben allmählich die Büsche und Bäume der Insel aus, zur selben Zeit, da Pollen von neuen importierten Gewächsen auftauchten. Die Ansiedler brannten den Wald ab, um Platz für große Kartoffeläcker zu gewinnen, die Süßkartoffel war ihre tägliche Nahrung, Sie benötigten Platz für ihre Wohnungen, die sie gewöhnlich nicht aus den Gewächsen des Waldes bauten, sondern aus Stein. Stein war ihr traditioneller Rohstoff, haushohe Blöcke, so schwer wie Eisenbahnwaggons, wurden von einem Ende der Insel zum anderen befördert, als Monolithe aufgerichtet, übereinandergestellt und zu megalithischen Mauern zusammengefügt, dergleichen die Welt niemals gesehen hat; außer in Peru, Mexiko und bei den Sonnenanbetern des Altertums am Mittelmeer, auf der genau entgegengesetzten Seite des Erdballs.
    Die Detektive, die unsere Schlammkuchen untersuchten, wußten noch mehr zu erzählen. Die unermüdlichen Ansiedler hatten nicht nur den Wald niedergebrannt und die natürliche Vegetation der Osterinsel ausgerottet, sondern hatten auch die Süßkartoffel mitgebracht, die in der übrigen Welt unbekannt war, bis Kolumbus sie in Amerika entdeckte. Das wußten wir schon vorher, denn die Bevölkerung der Osterinsel hat bis heute hauptsächlich von dieser Pflanze gelebt. Sie nennen die Süßkartoffel Kumara , wie sie schon bei großen Teilen der Urbevölkerung des alten Inkareiches hieß. Aber in unserem Schlammkuchen befanden sich Überreste einer anderen, für eine Seefahrernation noch bedeutenderen Pflanze.
    Schilf. Das Totora -Schilf.
    Nach der Ausrottung des Waldes waren die obersten Schichten gelb von flachgedrückten Pollen des Totora -Schilfs, die mit einem Netzwerk aus zähen Fasern der Schilfstengel vermischt waren. Riesige Mengen verfaulten Schilfs bildeten über große Teile des Kratersees eine schwimmende Matte. Nur eine

Weitere Kostenlose Bücher