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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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»Achtung, Thor!« Und ich zweifelte keinen Augenblick daran, daß dieses ohrenbetäubende Knacken von der Brücke kam, die in den Zurrungen nachgab und über unseren Köpfen zusammenbrach. Während die ganze Unterlage schaukelte und gebrochenes Holz mich in die Wasserflut drückte, erwartete ich, daß wir im nächsten Augenblick an unseren Tauen im Schlepp hängen und Brücke und Achtersteven zurückbleiben und im Kielwasser schwimmen würden. Dann floß das Wasser ab, und wir standen dort wieder wie vorher bis zu den Knien im Wasser; ich wurde von gebrochenem Holz hinuntergedrückt.
    »Das war das Steuerruder!« rief Norman und half mir heraus.
    Über uns tanzten die Enden zweier großer Holzstämme mit klaffenden Bruchstellen. Der dicke runde Ruderschaft und der viereckige Balken des Reservemastes, der an dem Ruder festgezurrt war, um es vielfach zu verstärken, waren beide nebeneinander gebrochen. Das große Ruderblatt schleppte an den Tauen hinterher und wedelte wie der Schwanz eines wildgewordenen Wals, aber mit einem Satz waren Norman, Carlo und Santiago zur Stelle, um es einzuholen, während Abdullah allein mit dem Rettungsfloß kämpfte, das jetzt frei umherschwamm. Ich mühte mich mit einem hundert Kilo schweren Faß Pökelfleisch ab, das sich plötzlich zwischen den Brückenbeinen losgerissen hatte und eine Katastrophe heraufbeschwören konnte, wenn es nicht aus den Wassermassen geborgen wurde.
    Diese Nacht sagte mir Abdullah, als ich zur Wachablösung herauskam, daß wir nun von friedlichen großen Wellen umgeben seien, die keine bösen kleinen Wellen auf dem Rücken trugen. Die Ra ritt ruhig und rhythmisch über das Meer, mit zwei kleinen Rudern, die anstelle des großen Steuerruders auf Backbord festgebunden waren. Leuchteten wir mit der Taschenlampe, dann sahen wir Tintenfische wie in einem Schaukasten herum schwimmen, wenn das Wasser sich wieder hob, nachdem es unter uns weggekrochen war. Das ägyptische Segel zeichnete sich deutlich gegen die leuchtenden Streifen in der Wolkendecke ab, aber der Horizont lag in tiefer Dunkelheit. Was ab und zu wie funkelnde Sterne am Rande des Horizonts aussah, stellte sich oft als leuchtendes Plankton heraus, das, von einem unsichtbaren Wellenturm getragen, in Augenhöhe blinkte.
    Es war ein seltsames Gefühl, am nächsten Tag mit einer Säge an unser unbeschädigtes Rettungsfloß heranzugehen. Norman und ich sahen uns an, und ich zögerte unbewußt einen kleinen Augenblick, ehe ich durch den Leinenbezug in den Schaumstoff sägte. Dann machten wir uns alle drei daran, unsere einzige Möglichkeit zu zerstören, von dem Boot wegzurudern, auf dem wir bis zu den Knien im Wasser standen.
    »Die Leute werden glauben, wir sind verrückt. Keiner wird das verstehen«, grinste Juri.
    Aber der Beschluß war einstimmig und wohldurchdacht. Das Rettungsfloß wurde wie die Papyrusbündel in schmale Streifen zersägt, die wir dann unter Wasser drückten und auf dem herunterhängenden Deck festzurrten. Das Wunder geschah: Allmählich hob sich der Achtersteven. Er kam so weit hoch, daß sich das Boot besser steuern ließ und die Wellen wieder unter uns wegkrochen, ohne den Badeteich zu überfluten. Das Ereignis wurde gehörig gefeiert. Da ahnten wir noch nicht, daß sich das Meer allmählich an Bord schleichen und den zersägten Schaumgummi holen sollte, Stück für Stück, bis nur noch Papyrusstengel übrig waren. Es war, als würde Neptun sagen: »Keine Pfuscharbeit. Die Leute des Pharaos hatten keinen Schaumgummi.« Die Freude war deshalb nur von kurzer Dauer, aber wir hatten eine gefährliche Last vom Achterdeck entfernt.
    Am 19. Juni gerieten wir in eine Strömung, gekreuzt von Wellen, die von Felsen an Land stammten - das Meer brodelte. Das Deck der Ra wellte sich wie ein Teppich, und an einzelnen Stellen kräuselte sich trockener Papyrus über den Bündeln. Zwischen Mast und Hütte, wo sonst zwei Mann nebeneinander gingen, mußte ein Mann behutsam allein durchschlüpfen; denn der kleine Spalt zwischen Brücke und Hüttenwand öffnete und schloß sich wie ein Nußknacker. Wenn wir in der Hütte auf zwei Kistenstößen saßen, wurden wir in das verlängerte Rückgrat gekniffen. Der erste Tonkrug wurde zerdrückt, so daß zu Safîs Freude die Nüsse herausrollten. Wir entdeckten, daß sich in einem zweiten kein Wasser mehr befand, weil durch die Reibung an dem Nachbarkrug ein rundes Loch an der Seite entstanden war. Das Steuerruder an Backbord wurde repariert und ins Meer

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