Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
getaucht, während uns das Wasser um die Hüften spülte. Aber kurz darauf brach das Steuerruder wieder, und das Blatt hing im Schlepp, als das Segel umstülpte und Carlo und Santiago überraschte, die gerade Wasser aus einem Ziegenbalg zapften. Sie wurden gegen die offene Reling geschleudert und hätten ein kühles Bad genommen, wenn sie nicht festgebunden gewesen wären. Ein großer fliegender Fisch segelte an Bord und schwamm lange fröhlich achtern in dem Teich umher, während Abdullah, wild mit den Armen fuchtelnd, ihn vergebens zu fangen versuchte.
Im Kampf mit Reeps und Segeln und riesigen, gebrochenen Rudern quetschte ich mir böse meine Hand, und es schmerzte noch stark, als ich nachts an Deck kam, um Santiago abzulösen. Er zeigte schweigend auf ein Licht an Backbord. Wir klammerten uns an das Geländer und stellten uns breitbeinig hin, um nicht umzufallen. Cap Vert? Nein, ein Schiff. Es kam direkt auf uns zu. Es gab Signale. Die Lichtzeichen kamen zu schnell; wir verstanden sie nicht. Offensichtlich wollte man etwas von uns wissen.
»Ra O.K., Ra O.K.«, morsten wir mit der Taschenlampe zurück. Das Boot war nun dicht an uns herangekommen, und wir vermuteten, daß es ein Patrouillenboot von Cap Vert war. Es rollte heftig, und wir schaukelten ständig auf und ab.
»Ra, bon voyage« , morste es schließlich langsam. Gute Reise. Dann kehrte es um, und bald waren seine Lichter in der Dunkelheit verschwunden.
»Gute Reise«, sagte ich zu Santiago, der ins Bett kroch.
Zwei Stunden später pfiff ich schon durch das Bambusgeflecht, um Juri bei dem Lärm zu wecken. Er sollte mich ablösen; die anderen durften schlafen. Da kam es mir vor, als ob dort draußen im schwarzen Meer Neptun selbst das Ruderblatt ergriff. Riesenkräfte entrissen mir das Ruder, die ganze Schute neigte sich, und weiße Kaskaden donnerten aus der Dunkelheit hervor und begruben alles unter meinen Beinen. Die Brücke zitterte, das Knacken brechenden Holzes dröhnte wieder in meinen Ohren. Gab jetzt die Brücke nach? Nein. Es war das zweite Steuerruder. Jetzt hatten wir nichts mehr zum Steuern. Ich mußte durch das Flechtwerk brüllen und alle Mann wecken. Das Segel schlug. Wasser stürzte. Reeps und Holzwerk übertönten die Kommandorufe. Es begann zu regnen. Wir warfen unsere beiden Treibanker aus. Da klappte alles!
»Sie haben uns gute Reise gewünscht«, sagte Santiago und starrte in die schwarze Nacht. Weder von Land noch vom Meer waren Lichter zu sehen. Vor uns lag der offene Atlantik - endlich.
»Gute Wache, Juri. Du hast nichts mehr zum Steuern.«
10
In amerikanischem Gewässer.
Fünftausend Kilometer
mit dem Strom als Zugtier und Wellen als Ladung
A UF DER Ra WURDE GEFEIERT . H IMMEL UND M EER LÄCHELTEN . D IE Tropensonne brannte auf das trockene Vorderdeck, und über das Achterdeck spülte friedlich der Atlantik. In der Bambushütte war es kühl und schattig. Wir hatten eine blaue Atlantikkarte mit einer Schnur an die gelbe Bambuswand festgebunden. Über sie zog sich eine Perlenreihe kleiner Bleistiftkreise. Der letzte war ganz neu und berichtete, daß wir heute den 40. Längengrad überquert hatten und uns damit auf der amerikanischen Seite des Atlantiks befanden. Seit mehreren Tagen war Brasilien der nächste feste Punkt gewesen, weil wir jetzt dem südamerikanischen Festland viel näher als Afrika waren. Aber da wir fast direkt nach Westen trieben, überquerten wir das Meer an der breitesten Stelle, und dort lagen die Westindischen Inseln am nächsten.
Dieses Ereignis mußte gefeiert werden. Unser italienischer Meisterkoch Carlo erhielt zusätzlich von dem Gourmet Georges, der die erlesensten ägyptischen Gerichte zubereitete, Hilfe an der Küchenkiste. Nach einem Hors d'oeuvre aus marokkanischen Oliven, gesalzenen Wurstscheiben und gepreßtem, sonnengetrocknetem ägyptischem Fischrogen bekam jeder ein riesiges Omelett aus frischen Eiern mit Artischockenböden, Zwiebeln, ganzen Tomaten, kleinen Stücken geräucherter Schafskeule und gepfeffertem Schafskäse; dazu wurden allerlei Gewürze verwendet, von ägyptischem Kamon bis zu Wüstenkräutern und rotem Pfeffer. Zum Nachtisch gab es Rosinen, Zwetschgen, Mandeln und als Krönung eine dreifache Ration von Madame Aichas honigsüßen marokkanischen Sello -Krümeln.
Wer vermißte Kühlschrank oder Büchsenöffner? Keiner der Vertreter aus sieben Nationen, die sich dieses pharaonische Festmahl einverleibten, während unser Papyrusschiff zur Feier des Tages mit vollem Segel und
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