Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
Vom Netzwerk:
Georges. Aber zwischen ihnen lag ein fremder Kopf mit asiatischen Gesichtszügen und struppigem, rabenschwarzem Haar. Das war Kei, Kei Ohara aus Japan. Wie war er denn an Bord der Ra gekommen? Ja, richtig. Ich legte mich entspannt auf den Rücken und zog meine Hosen an. Unter dem Korbdach konnte man nicht stehen, nur gerade sitzen. Es war noch niedriger als auf der Ra I . Ja, richtig. Jetzt war alles klar. Dies war die Ra II . Ich hatte ja mit allem wieder von vorn angefangen. Wir waren wieder bei Afrika. Wir hatten noch nicht einmal Kap Juby passiert. Doch wartete nicht Abdullah im Dunkeln auf der Brücke auf Wachablösung, sondern ein anderer Afrikaner, den ich kaum kannte, ein braungebrannter echter Berber, der sich Madani Ait Ouhanni nannte.
    »Rutsch zur Seite, Carlo, du hast halb auf meiner Matratze gelegen, und nun sitzt du auf meinem Hemdsärmel.«
    Auf der Brücke war es verteufelt kalt, aber ruhig. Madani zog seine Berberkapuze herunter und zeigte mir, wie weit man das Steuerruder sicher unter Land drehen konnte, ohne zu riskieren, daß der Seewind das Riesensegel drehte. Carlo übernahm den Ausguck nach Lichtern von Land und Schiffen. Wir fühlten uns jetzt von allen Seiten bedroht, bis wir wieder einmal von der gefährlichen Klippenküste der Sahara und dem endlosen Verkehr in dem Fahrwasser um Afrika wegkamen.
    Aber all das hatten wir ja schon einmal hinter uns gebracht. Es war ja nur eine unsichere Wiederholung. Wir waren ja schon heil an Kap Juby vorbeigekommen, und nun trieben wir wieder hier im Seewind in der offenkundigen Gefahr, alles zu zerstören, was wir geschafft hatten. Warum waren wir dieses Mal nicht wenigstens unterhalb von Kap Juby gestartet? Warum überhaupt die Ra II} Warum fing ich das dicke Tagebuch wieder mit Seite eins an? Warum?
    »Diesmal müssen wir es schaffen«, murmelte Carlo vom Hüttendach. »Wir müssen die paar Seemeilen schaffen, die bis Barbados noch übriggeblieben sind.«
    Hatten er und die anderen mich dazu überredet, alle Räder wieder in Gang zu setzen? Nur weil uns einige Meilen fehlten, um die Skeptiker zufriedenzustellen? Oder war es immer noch die Neugierde? War es der Wunsch, bestätigt zu sehen, daß wir das Weltmeer mit einem stärkeren Papyrusboot überqueren konnten, jetzt, wo wir praktische Erfahrungen aus einem einzigen tastenden Versuch besaßen, ein Schiff zu bauen und zu navigieren, dessen Umrisse nur aus tausendjährigen Grabwänden bekannt waren? Vielleicht beides. So unglaublich viel war in einem knappen Jahr zwischen dem Stapellauf der Ra I und der Ra II geschehen. Ich war noch mehr Schilfbooten begegnet. Sie lebten dort weiter, wo die Kulturvölker des Altertums auf ihrem Vorstoß aus dem inneren Mittelländischen Meer in den Atlantik tiefe Spuren hinterlassen hatten.
    Carlo Mauri und ich waren in das reiche archäologische Gebiet bei den großen Oristano-Sümpfen an der Westküste Sardiniens mit den Fischern auf ihren geräumigen Schilfbooten hinausgerudert und hatten Fische gespießt, während die massig emporragenden, altertümlichen Nuraghi-Türme ihre fünftausendjährigen Profile auf den umliegenden Hügelrücken abzeichneten. Die Archäologen datierten die ältesten dieser prachtvollen Bauwerke auf fast 3000 vor Christus, entstanden durch Impulse aus dem tiefsten Becken des Mittelländischen Meeres. Aber Bauwerke von demselben Typus wurden noch Tausende von Jahren auf Sardinien errichtet. Die Fischer hatten uns in den am besten erhaltenen dieser kompakten, zylinderförmigen Kolosse geführt, dessen Mauern aus moosbewachsenen Riesensteinen nach Tausenden von Jahren mit Krieg und Erdbeben unversehrt dastanden. Kaum hatte ich mich durch die Öffnung gezwängt und die Taschenlampe angeknipst, als ich mich wieder auskannte. Die ganze komplizierte Form mit engen, gewundenen Korridoren - all das hatte ich schon genauso gesehen: Die Riesensteine des hohen schmalen Daches treffen auf falsche Spitzbogen, während die Korridore in zwei Ringen mit niedrigen Quergängen umeinanderlaufen, die den äußeren mit dem inneren Rundgang verbinden und in den massiven Kern bis zu einer Wendeltreppe zum Aussichtsdach des Turms weiterführen. Eben diese sonderbare Form, die so ungeheuer speziell und eigenartig war, hatten Architekten in Mexiko lange vor Kolumbus wiederholt. Dieses Prinzip mit allen seinen Eigentümlichkeiten wurde angewandt, als die Maya auf der Yucatan-Halbinsel ihr berühmtes astronomisches Observatorium in Chichen Itza bauten. Gab es ein

Weitere Kostenlose Bücher