Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
undenkbaren Zeiten von den Indianern am Titicacasee, im Hochland Perus, gebaut wird. In Ägypten war dieses uralte afrikanische Fahrzeug schon lange ausgestorben, aber hier im Herzen des Kontinents lebte es immer noch. Vom oberen Nilgebiet führte ein alter Karawanenweg durch die Berge zum Tschad. In moderneren Zeiten war er als die transafrikanische Sklavenstraße bekannt. Ich wußte, daß die Anthropologen Gründe zu der Annahme gefunden haben, daß ein Teil der Bevölkerung im Tschad-Gebiet uralte Wurzeln im Niltal besitzt. Der Tschad ist ein afrikanischer Schmelztiegel; hier schickt die Sonne ihre glühenden Strahlen über ein Völkerwirrwarr, für das man Spezialist sein muß, um zwischen den verschiedenen Stämmen und Sprachen unterscheiden zu können. Aber eines war allen klar. Auf gleiche Weise, wie der Tschad den Übergang von der Sahara, die von Norden ihre Sanddünen über die Landesgrenze wälzt, zu den unendlichen Urwäldern des Tropengürtels bildet, die ihrerseits von Süden hereinwachsen, auf gleiche Weise sind im nördlichen Teil des Landes Beduinen und andere Araber eingedrungen, während im südlichen Teil ausschließlich Neger wohnen. Sie treffen sich auf den zentralen Ebenen und in der Hauptstadt Fort-Lamy, wo sie gemeinsam versuchen, aus dem zufällig festgelegten Gebiet der einstigen französischen Kolonie eine Nation zu bilden.
Nachdem wir in unserem Hotelzimmer mit Klimaanlage eine kalte Dusche genommen hatten, krochen wir in ein glühendheißes Taxi und fuhren zum Fremdenverkehrsamt des Landes. Die breite Hauptstraße wimmelte von Autos, Fahrrädern und Fußgängern. Vereinzelt sahen wir weiße Gesichter unter den Afrikanern. Das waren französische Beamte und Kolonisten, die sich nach der Befreiung entschlossen hatten, in der Hauptstadt zu bleiben. Einer von ihnen war der Vorsteher des Fremdenverkehrsamtes.
Wir erklärten, daß wir hergekommen seien, um zu erfahren, wie wir am besten zum Tschadsee kämen, da wir auf der Karte weder Eisenbahn noch Wege verzeichnet fanden. Der Amtsvorsteher breitete eine vielfarbige Karte und Bildmaterial von Löwen und allerlei wilden Dschungeltieren aus. Auf all das konnten wir als Teilnehmer einer Safari gegen einen angemessenen Preis schießen, aber dann mußten wir nach Süden reisen, in die entgegengesetzte Richtung vom Tschadsee. Wir erklärten, gerade an den See zu wollen, weil wir nur dort Papyrusboote sehen konnten. Der Amtsvorsteher faltete die Karte zusammen und sagte, er könne uns nicht helfen, wenn wir nicht zu den Orten wollten, die er uns als Ortskundiger empfohlen hatte. Gleichmütig drehte er den Bauch in Richtung Büroinneres und begab sich dorthin. Ich mußte aus meinem Paß ein mit vielen Stempeln versehenes Empfehlungsschreiben des norwegischen Außenministers hervorangeln und schickte es mit einer schwarzen Büroangestellten hinein. Der Bauch des Amtsvorstehers zeigte sich wieder in der Tür, und dieses Mal erklärte er freundlich, es sei unmöglich, an den Tschadsee zu kommen, solange der Fluß kein Hochwasser führe. Dazu kam, daß man bis zu dem Dorf Bol auf der nordöstlichen Seite um den See mußte, ehe man auf Papyrus stieß, und dahin könne man nur mit dem Flugzeug gelangen. Ob ich ein Flugzeug chartern wolle?
Das wollte ich, wenn es der einzige Ausweg war.
Der Amtsvorsteher griff zum Telefon. Es gab nur zwei einmotorige Flugzeuge im ganzen Land, und beide standen zur Reparatur im Hangar. Ein drittes Taxiflugzeug hatte zwei Motoren, brauchte aber 800 m zum Landen, und der Landestreifen bei Bol war nur 600 m lang. Der Amtsvorsteher fügte hinzu, daß es verboten sei, ohne Einwilligung der Regierung im Lande zu filmen. Außerdem gäbe es zur Zeit Unruhen in der Republik. Die arabische Bevölkerung im Gebiet innerhalb Bols war mohammedanisch und hatte begonnen, sich gegen die christliche Negerbevölkerung aufzulehnen, welche die Macht in der Regierung besitzt. Darum war es unsicher, gerade jetzt in den nördlichen Teil des Landes zu reisen. Um seine Freundlichkeit zu beweisen, stellte uns der Amtsvorsteher einen Wagen mit Fahrer zur Verfügung; wir könnten in Fort-Lamy hinfahren, zu wem wir wollten, und Leute ausfragen, die mit den Verhältnissen am See vertraut waren.
Er gab uns die Adresse eines lächelnden, stämmigen Franzosen mit tätowierten Armen, der hier die Möglichkeit studierte, wie man im Tschadsee den Fischbestand verbessern und moderne Fischereimethoden entwickeln könnte. Dieser erklärte, daß man zu den
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