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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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trieb nach rechts, und hinter ihr zeigte sich auf der linken Seite eine schwache Kielwasserspur. Sie glich einem großen, wohlarrangierten Blumenkorb, einem dicken Strauß strotzender, goldener Papyrusblüten, haarfeiner buschiger Kronen, die größten in der Mitte und die kleinsten zierlich zur Seite gebeugt, wo sie ihre gelben Kronen und ihre grünen Stengel in dem himmelblauen Wasser spiegelten. Kleine Schlingpflanzen und Blumen und Blätter waren noch hinzugetan, um die Komposition ästhetisch zu vollenden; und auf einem Torfboden aus verfilzten Wurzeln und Pflanzenfasern schwamm die Insel ohne Motorlärm und Ruderschlag majestätisch davon. Das Papyrusboot trieb gleichmäßig und ruhig an dem schwimmenden Blumenkorb vorbei. An Bord standen zwei stattliche Neger aufrecht wie Zinnsoldaten in weißen Gewändern und stakten sich mit langen Stangen vorwärts. Auch das gelbe Boot mit den ranken Negern spiegelte sich im See, und das auf dem Kopf fahrende Spiegelbild rief mir andere Schilfboote in Erinnerung, die im Verhältnis zu uns tatsächlich auf dem Kopf fuhren, weil sie auf der entgegengesetzten Seite des Erdballes, auf dem Titicacasee in Südamerika, schwammen. Die Ähnlichkeit zwischen den Booten auf dem Titicacasee und denen, die wir hier sahen, war so verblüffend, daß die ersteren wohl das Spiegelbild ersetzen konnten.
    Ich war sehr darauf erpicht, eins dieser Boote auf dem See auszuprobieren und zu lernen, wie man es baut. Denn kein Uneingeweihter würde ein Boot in dieser speziellen Form herstellen können, indem er das Papyrusschilf einfach nach eigenem Gutdünken zusammenband.
    Der Scherif nahm uns zu einer feierlichen Audienz beim Sultan M'Bodou M'Bami mit, dem religiösen Oberhaupt des Bezirks und dem mächtigsten Mann in weitem Umkreis. Der Scherif und sein Stellvertreter waren Neger aus dem Süden, die Fort-Lamy hergeschickt hatte, um die politischen Interessen der christlichen Regierung wahrzunehmen, während der Sultan dem lokalen Buduma-Stamm angehörte und die ganze mohammedanische Bevölkerung des Bezirks hinter sich hatte.
    Der Scherif war breit und von grober Gestalt wie ein gutmütiger Gorilla, während der Sultan ein dürrer, zwei Meter großer Mann war. Er hatte seinen Kopf und den unteren Teil des Gesichts in ein Tuch gewickelt und trug einen Mantel, der bis zu den Füßen reichte, so daß nur die krumme Nase und die Adleraugen zu sehen waren. Alle Dorfhäuptlinge streiften ihre Sandalen ab, ehe sie den lehmigen Hof vor dem einfachen Adobehaus des Sultans betraten, wo die Audienz stattfand. Danach wurden wir um die große Sandfläche mitten im Dorf aufgestellt, dem Paradeplatz, wo der Sultan den Gästen zu Ehren mit seinem sich aufbäumenden Vollblutpferd auftreten wollte. Während zwei Männer die Zügel hielten und das Pferd die ganze Zeit auf die Hinterbeine zwangen, saß der Sultan unbeweglich im Sattel, umgeben von einer Schar Mädchen in bunten Gewändern, die auf der Erde um ihn herumliefen und ihm mit duftigen Schleiern Kühlung zufächelten. Als der Aufzug, von Trommeln und Holztrompeten begleitet, den Rundtanz beendet hatte, erschien am Ende des Platzes eine geschlossene Reihe Reiter und donnerte mit gezogenen Schwertern und heiserem Gebrüll in rasendem Galopp an uns vorbei. Einer der Reiter war besonders zudringlich, immer wieder jagte er " an uns vorüber, und während er sich heulend zu uns herunterbeugte, die wildesten Grimassen schnitt und das Schwert furchterregend nahe über unsere Skalpe schwang, berührten die Hufe fast unsere Stiefelspitzen. Ich fragte den Scherif vorsichtig, was dies bedeuten solle, und erfuhr, daß sich der Reiter nur hervortun wolle. Aber Baba fügte hinzu, daß er damit uns, die keine Muselmanen waren, seine Verachtung zeigen wollte. Der Sultan dagegen verriet keine Verachtung. Er zeigte im Gegenteil das größte Interesse, als er hörte, daß wir lernen wollten, Papyrusboote zu bauen, und schickte uns zu seinem Verwandten, dem prächtigen Buduma Omar M'Bulu, der eine große bienenkorbförmige Strohhütte bewohnte. Sie glich allen anderen, die zusammen das Buduma-Viertel in der Distrikthauptstadt Bol bildeten. Nur der Scherif und der Vizescherif besaßen eigene weiße Bungalows, an denen sich die rote Bougainvillea emporrankte. Die übrigen Gebäude neben den runden Strohhütten des Buduma- und Kanembu-Stammes waren niedrige Adobehäuser der überwiegend arabischen Bevölkerung aus sonnengetrocknetem, handgeformtem Lehm.
    Omar war ein stattlicher

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