Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
UN arbeitet. Der bekannte New Yorker Redakteur Norman Cousins war der Präsident der Organisation und ein enger persönlicher Freund von Generalsekretär U Thant, der uns alle drei im obersten Stockwerk des hochaufstrebenden UN-Gebäudes empfing.
Sieben Nationalitäten, Schwarze und Weiße, aus Ost und West auf einem Papyrusbündel in der Strömung des Atlantiks. Wir durften die Flagge der Vereinten Nationen mitführen, wenn wir die Regeln beachteten: Alle Flaggen an Bord mußten gleich groß sein und in gleicher Höhe hängen. Wir bekamen gern die Erlaubnis, die Flaggen der sieben Länder in einer Reihe zwischen zwei UN-Flaggen aufzuziehen. U Thants gute Wünsche kamen sichtlich von Herzen. Er erkundigte sich, wo wir ablegen wollten.
»Ich hatte an Marokko gedacht.«
»Dann müssen Sie meinen Freund Ahmed Benhima besuchen, den marokkanischen UN-Botschafter, er sitzt fünfzehn Stockwerke tiefer, im 23 .Stock. «
Seine Exzellenz im 23.Stock war ein großer und stattlicher Mann, der letzte Sproß einer der ältesten und aktivsten marokkanischen Familien. Er empfing uns mit routinierter Freundlichkeit, und jeder von uns landete in einem tiefen Sessel, Er lauschte vollkommen gleichmütig.
»Sie wollen also von meinem Heimatland aus mit einem Papyrusboot in See stechen?« sagte er nur und bot mir eine Zigarette an. »Danke, ich rauche nicht.« »Von welchem Hafen wollen Sie starten?« »Safî.«
»Safî!? Das ist meine Heimatstadt! Warum ausgerechnet Safî?« Jetzt wurde er plötzlich quicklebendig und erhob sich mit einem völlig verblüfften und neugierigen Ausdruck. »Warum Safî wiederholte er.
»Weil Safî einer der ältesten afrikanischen Häfen außerhalb von Gibraltar ist. Casablanca ist ein moderner Hafen, aber Safî ist seit dem Altertum bekannt Außerdem liegt Safî genau dort, wo ein Küstenfahrer vom Mirtelmeer die größte Aussicht hatte, von den Elementen aufs Meer gezogen zu werden. Unmittelbar vor Saft ergreifen der Kanarienstrom und der Passatwind alles, was schwimmt, und schicken es nach Amerika.«
»Meine Eltern wohnen in Safî. Der Pascha von Safî ist mein guter Freund, ich werde ihm schreiben, ich werde meinem Bruder schreiben, der Außenminister von Marokko ist."
Das war ein unfaßbares Glück. Wir schieden in bestem Einvernehmen. In New York hatte ich einen brauchbaren Bewerber für die Fahrt, und alles schien zu klappen, bis seine bessere Hälfte in die geheimen Pläne eingeweiht wurde. Dann mußten wir drei uns schnell darauf einigen, einen anderen zu suchen. Die Zeit reichte gerade noch für ein Essen mit einem neuen »Anwärter«, ehe das Flugzeug nach Lima, Peru, ging.
Einige Tage danach saß ich mit einer Gruppe Uro-Indianer zusammen und briet auf einer schwimmenden Insel im Titicacasee Fische. Die Insel bestand nur aus schwimmenden Schilfbüscheln, Schilf, das zu dicken Haufen überein andergestapelt war, auf die nach und nach frisches Totora- Schilf gelegt wurde, sobald die untersten Schichten verfaulten und tiefer sanken. Dieser Teil des Sees bestand aus künstlichen Schilf Inseln, die, nur durch enge Kanäle getrennt, nebeneinander lagen. Rundherum wuchs, soweit das Auge reichte, in allen Himmelsrichtungen Schilf. Nur ferne schneebedeckte Berge gegen den blauen Himmel waren über dieser flachen Sumpfwelt zu sehen, in der die Uru-Indianer ihr ganzes Leben zwischen Fischen und Schilf verbringen. Haus und Bett waren aus Schilf. Die Boote waren aus Schilf und besaßen Rahsegel aus zusammengebundenen Schilfstengeln. Schilf war das einzige Brennmaterial für das Herdfeuer. Aus verfaultem Schilf, das mit Erde vom Festland vermischt wurde, legte man auf den schwimmenden Inseln kleine Beete an und zog dort seine traditionelle Süßkartoffel. Das Dasein hatte keinen Festpunkt, der Boden schwankte unter den Uru-Indianern, ob sie den Boden der Hütte betraten oder den kleinen Kartoffelacker. Ich war gekommen, um meinen Verdacht bestätigt zu sehen. Die Uru-Indianer - ebenso wie die Quechua- und die Aymara-Indianer am Ufer desselben Sees und ebenso wie die Buduma-Neger im Tschad - stellen die Boote nicht jeden Tag nach der Benutzung zum Trocknen auf. Und dennoch sinken sie nicht innerhalb von vierzehn Tagen. Das Schilf geht zwar allmählich unter - das sah man an diesen schwimmenden Schilfinseln, auf deren Oberfläche die Indianer ständig neues Schilf legen mußten -, aber die eleganten Boote liegen neben den Inseln und schwimmen, ohne daß man das Schilf erneuert; genau wie auf dem
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