Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Tschadsee in Zentralafrika. Die Erklärung dafür war eindeutig. Die Schilfboote hier in Südamerika, ebenso wie im Tschad, sind mit starken . selbstgemachten Tauen so eng zusammengeknüpft, daß sich möglichst viele Zellkanäle im Innern verschließen, während die kleinen Boote in Äthiopien nur leicht mit Rindenstreifen oder Papyrusfasern zusammengehalten werden, ohne - um das Wasserziehen zu verhindern - das poröse Schilf genügend zusammenzudrücken.
Es blieben noch zwölf Tage, bis Abdullah und die Bootsbauer in Kairo landen würden. Ich hatte ihm Flugkarten für den 20. Februar geschickt, was ungefähr mit der Ankunft des Papyrus in Sues übereinstimmte. In zwölf Tagen konnte man noch viel erledigen. Und zusammen mit meinem guten Freund Thorleif Schjelderup, dem bekannten norwegischen Philosophen, Sportler und Kameramann, zog ich von den schwankenden Sumpfinseln der Uru-Indianer in die Wüste an der Nordküste Perus. Hier wollten wir uns die schönste Pyramide Südamerikas ansehen, eine ungemein symmetrische Konstruktion aus Adobe-Ziegelsteinen, die verborgen und vergessen hinter verwitterten Sandsteinbergen in der Wüstenebene im Chicamatal liegt. Von der Wissenschaft ist sie unerforscht, dafür aber von Grabräubern gründlich ausgebeutet. Sie hatten bis auf den Grund einen Krater gegraben und die stufenförmige Pyramide in einen rechtwinkligen Vulkan verwandelt. Dieses gigantische Bauwerk ragt so hoch und massiv über die Wüste, daß die Talbevölkerung dieses Monument des Altertums nur als Cerro Colorado , als den »farbigen Berg« kennt. Wenn die symmetrische Stufenform und die Mauern um die Pyramide nicht wären, müßte man mit der Nase ganz dicht herangehen, um festzustellen, daß dieser Berg aus Millionen sonnengetrockneter Ziegelsteine zusammengesetzt ist. Für jemanden, der eine Woche vorher in Ägypten war, zeigte sich eine fast verwirrende Ähnlichkeit der architektonischen Form, astronomischen Ausrichtung, Dimensionen und des Baumaterials mit den ältesten Pyramiden am Nil. Cerro Colorado war von einem unbekannten Priesterkönig im Altertum errichtet worden, als mächtige Zivilisationen in Peru plötzlich aufblühten. Das war lange bevor die Inka-Kultur die Chimu-Kultur ablöste. Diese folgte wiederum auf die ersten unbekannten Kulturträger, welche die Wissenschaft in Ermangelung eines Namens das Mochica- Volk nennt. Es hatte die allerersten und allergrößten Pyramiden an der Küste gebaut. Wer war das Mochica-Volk? Es ist der Wissenschaft immer klarer geworden, daß zwischen den Kulturträgern an der Nordküste Perus und den Pyramidenbauern im alten Mexiko irgendeine Verbindung bestanden hat.
Die Zeit erlaubte mir auch noch einen Abstecher nach Mexiko, wo mein Begleiter zu den Seris-Indianern, der Olympiaschwimmer Ramon Bravo, nichts lieber wollte, als an einer Seefahrt auf einem richtigen Schilfboot teilzunehmen. Er litt zur Zeit an Magenschmerzen, würde aber sicher wieder auf der Höhe sein, bis wir ihn in zweieinhalb Monaten an unserem Startplatz in Marokko brauchten.
Dann standen wir im mexikanischen Dschungel und erlebten eine Pyramide im Regen. Genau das hatten wir erhofft, und jetzt kam der Regen. Thorleif stand klitschnaß im Hemd da, die Windjacke über der Kamera, und filmte, während der Tropenregen fiel, so daß das Wasser von einem Block auf den anderen die riesige Palenquepyramide hinuntertropfte und -strömte. Die Wolken hingen tief über den Baumkronen des Urwalds, der sich undurchdringlich über den Bergkamm hinter der Pyramide erstreckt, während seine Riesenbäume sich von allen Seiten bis an den Fuß der Pyramide drängen.
Verlassen und verfallen liegen in Rodungen um die Pyramide moosbewachsene Ruinen von stattlichen Bauwerken in verschiedensten Stilrichtungen. Wenn jemand nur kommt, um nachzuempfinden, was in Amerika vor Kolumbus geschehen war, muß er erst warten, bis sich der Rausch der Begeisterung und Bewunderung gelegt hat, und sich dann hinsetzen und zu begreifen versuchen, was sich hinter diesem imponierenden Ruinenkomplex verbirgt. Irgend etwas übt hier eine eigentümliche Wirkung aus, etwas Unausgesprochenes und Ungeschriebenes liegt in der Luft und erzwingt sich Aufmerksamkeit und Argwohn. Hier kam es aber im Augenblick darauf an, sich nicht in faszinierende Details zu verbeißen und sich auch nicht nur in Gedanken über Dimensionen, Schönheit und technische Wunderwerke zu verlieren. Diesesmal kam es nur darauf an, sich mit der Tatsache vertraut zu
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