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Export A

Export A

Titel: Export A Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Kränzler
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balanciere auf einem imaginären Mittelstreifen vorwärts, ein dunkler Körper, der an erleuchteten Feldern entlangknirscht. Dann und wann tunke ich einen Finger in eine glitzernde Lichtpfütze, beobachte, wie meine harzverklebten Hände hell aufleuchten . Etwas weiter hinauf trifft die Centennial auf die Polar Road. Den Zusammenfluss der beiden Straßen markiert ein ententeichgroßes Plateau. Auf jener runden, dick mit Schnee beschichteten Asphaltfläche mache ich Halt und lege den Kopf in den Nacken. Über mir spannt sich die schwarze Haut des Raums; Sterne verstopfen ihre Poren.
    Ich zerre die Pappschachtel aus meiner Tasche. Sternen- und Laternenlicht fällt auf die Box, die ich Derrick und seinem gefälschten Ausweis verdanke. »Erwerb ab 18« ⁠…
    Vorsichtig ziehe ich die Klarsichtfolie ab. Nur noch eine dünne, mit silbernem Aromaschutzpapier ausgelegte Schicht Pappe trennt meine klebrigen Finger von »25 Class A finest Canadian Filter Cigarettes«. Vor einem monochromen, dunkelblauen Grund stehen weiße Lettern stramm. Stolz und goldumrandet verkünden sie den Namen »EXPORT A medium«.
    EXPORT A s kommen nicht in Standardschachteln. Die Packungen sind länger, flacher und weniger kastenförmig, erinnern mehr an Kassettenhüllen. Der Deckel öffnet sich mit einem leisen Knackgeräusch, das mich an Milchtüten erinnert.
    In meine Nasenhöhlen dringt ein würziger Geruch, ein bisschen wie Spekulatius. Ich stecke mir meine erste Zigarette zwischen die Lippen und zünde sie an. Essenzen aus Tabak, Harz und Schnee beträufeln den Moment; der Duft wird mir in Erinnerung bleiben.
    Mein Atem verdichtet sich zu Rauch, tanzt und schlängelt vor mir her. Die Kälte krallt sich ins Graublau und hindert die violett gelöcherten Wolken am Verfliegen. Joshs Feuerzeug rutscht aus meiner Faust. Ich drücke es fester in die Handfläche und nehme den nächsten Zug. Um mich treiben die alten, nebligen Fetzen. Ich fli cke sie mit einem Hauch.
    Widerspenstig kommt sie mir vor, diese Zigarette, die ich mit den Lippen festhalte, an der ich sauge und ziehe, um ihr den Geschmack abzuringen. Sie kratzt im Hals und kitzelt in der Lunge, übt Vergeltung, indem sie mich zum Husten bringt. Jeder Atemzug öffnet ein rundes Glutauge.
    Den Kopf weit zurückgelegt, ganz und gar grau verschleiert, blase ich Gott meinen Rauch ins Gesicht.
    Plötzlich vertieft sich der Himmel. Ein Maul klafft, schwärzer als schwarz. Die Sterne stellen ihr Blinken ein, stürzen in den Schlund, der ihr Licht zermalmt und ihre Reste als grünblaue Flammen über den Bergen ausspeit. Durch die Risse der vormals schützenden Kuppel strahlt, flackert und leuchtet es auf mich herab. Unsichtbare Fingernägel ritzen geschwungene und gezackte Linien in die schwarzglänzende Nacht, hinterlassen lichterlohe Striemen. Mein Körper antwortet auf jeden leuchtenden Schwall mit einem Schaudern. Mit hängenden Armen und offenem Mund stehe ich unter den farbigen Flammenzungen, beobachte, wie sie lautlos an der Schwärze lecken. Die Zigarette erlischt unbemerkt, der Himmel brennt weiter.
    Ich erstarre. Mein Kopf klebt im Nacken fest, die Füße werden taub.
    So stehe ich, versponnen und still, bis schließlich Bewegung in meine Beine kommt, und meine Schritte den Schnee wieder zum Knirschen bringen.
    Ich steuere hügelabwärts. Das Haus schaut mit gelben Augen zu mir auf. Mit 24 EXPORT A s in der Tasche rutsche ich auf die Haustür zu. Ich taste nach dem Schlüssel und werfe einen letzten Blick nach oben.
    Die Farben sind ausgebrannt; über Whitehorse wölbt sich ein Aschefeld. Die Nachbarn schlafen, als wäre nichts gewesen, als gäbe es kein erstes Mal.

17.
    »Mit der Heizung stimmt was nicht«, haben wir uns eingeredet und den immer neuen technischen Ratschlägen unserer Besucher so lange eifrig nickend gelauscht, bis wir die Tatsache nicht länger verleugnen konnten, dass unser Vermieter sie einfach abgestellt hat.
    Ich sitze im Obergeschoss in der Kälte. Meine klammen Finger schreiben Briefe nach Hause. Briefe, die ich niemals abschicken werde, die geschrieben werden, um die große, weiße Vor­mit­tags­lücke zu füllen. Der Füller steckt zwischen den erstarrten Finger­gliedern, die zu dem empfindungslosen, kalten, bis zur Nasenspitze in eine gelbe Winterjacke gepackten Block gehören, der wie so oft den Schulweg, den Gang durch Kiesgruben und Waldstücke verweigert hat, der nicht stapfen, nicht einsinken, nicht rutschen will. Nur sein Geist bewegt sich. Nagende

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