Extra scha(r)f
und dies wäre ihre letzte Gelegenheit zum Sex.
»Es ist offensichtlich, dass Blaize nicht gewusst hat, dass die Kamera mitläuft«, sagt Daniel im Brustton der Überzeugung.
»Woher willst du das wissen?«
»Immerhin ist sie ein Medienprofi. Hätte sie es gewusst, dann hätte sie sich wie in einer Wäschereklame ausgezogen. Außerdem, zieht sie den Bauch ein? Macht sie ihren berühmten Schmollmund? Nein. Und sieh mal, sie hat ihre Socken noch an. Ist das nicht uncool? Nein, nein, das hier ist die natürliche, ungezwungene Blaize, die beim Sex ihre Socken anlässt.«
An Daniels Argumentation ist was dran. Gut, wir haben nun also herausgefunden, dass Blaize nicht bewusst war, dass ihr Lover sie filmt, und dass es sich nicht um harmlose Probenaufnahmen handelt. Jetzt können wir das Band ja wieder abschalten, nicht?
Aber keiner von uns rührt sich vom Fleck. Daniel muss es doch genauso peinlich sein wie mir, diese Aufnahmen anzuschauen. Warum sitzen wir dann beide untätig da und glotzen einfach weiter?
»Das geht jetzt zu weit. Halt das Band an, Daniel.«
»Wir können doch jetzt nicht unterbrechen, schließlich geht es gerade zur Sache... Wow, die schreit aber ziemlich laut. Kommt wahrscheinlich vom Gesangstraining. Oh Mann, Charlie, mit dieser Kassette kannst du stinkreich werden -«
»Vergiss es, Daniel.«
»Aber überleg doch mal, bevor du gleich Nein sagst. Die Bildqualität ist übrigens ziemlich gut. Letzte Woche war doch dieser Klatschreporter bei uns, der einen Obenohne-Schnappschuss von Prinz Williams Freundin gemacht hat. Erinnerst du dich, wie unscharf das Foto war? Nun ja, er hatte auch keine -«
»Wo ist die Fernbedienung?«, unterbreche ich ihn und zwinge mich dazu, vom Sofa aufzustehen. Da Daniel keine Anstalten macht, mir die Fernbedienung zu geben, gehe ich zum Fernseher. Aber auf halbem Weg bleibe ich stehen. Seltsam - mir kommt es vor, als würde ich Blaizes Stöhnen in Stereo hören, als würde es nicht nur aus Jamies Breitbildfernseher kommen. Wie kann das -
»Verfluchte Scheiße!« Bei Daniel fällt der Groschen zuerst. »Was hat die da oben zu suchen?« Er blickt zu dem anderen Fernseher in Jamies Büro hoch, der an der Wand befestigt ist und aus dessen Lautsprechern ebenfalls Blaizes lautes Stöhnen erschallt. Auf dem Bildschirm sieht man gerade, wie sie ein Bein um Karls Rücken schlingt, während das andere in der Luft zuckt, das rosa Söckchen ist bereits bis zu Blaizes Zehenspitzen gerutscht.
»Scheiße, Daniel, was hast du getan?«, schreie ich ihn an - der zweite Fernseher in Jamies Büro ist nämlich zufällig mit JEDEM ANDEREN FERNSEHER IN DIESEM GEBÄUDE verkabelt.
»Hör auf zu schreien«, brüllt er zurück. »Schalt sofort das verfluchte Band ab. Schnell, verdammt!«
Ich stürze zu dem Videorekorder. Verzweifelt versuche ich auf Stopp zu drücken, habe jedoch keinerlei Kontrolle über meine Hände, sodass es mir nicht richtig gelingt. Irgendwann treffe ich schließlich die richtige Taste. Sofort werden beide Bildschirme schwarz, und ich kann nur noch mein eigenes Hyperventilieren hören. Vom Boden aus sehe ich zu Daniel. Er macht ein Gesicht, als wäre er genauso entsetzt wie ich. Keiner von uns bringt ein Wort heraus. Nach einer Weile stoße ich flüsternd hervor: »Denkst du, dass jemand es bemerkt hat?«
Er deutet ein Achselzucken an.
Ich verstehe das als ein Ja.
»Aaffgghh!« Im Moment bin ich meiner Muttersprache nicht mehr mächtig.
»Ich habe nichts gemacht, Charlie, ich schwöre.« Daniel hat die Hände vor das Gesicht geschlagen und starrt mich zwischen seinen gespreizten Fingern hindurch an.
»Das stimmt, du hast nichts gemacht«, sage ich, weil mir plötzlich ein Licht aufgeht. »Aber dafür Rebecca.«
»Becks? Wie kommst du denn darauf?«
Ich erkläre es ihm. Alle Fernseher sind miteinander verkabelt. Mit der Fernbedienung am Empfang bestimmen wir, welches Programm überall läuft. Nur Jamies Breitbildfernseher ist nicht immer an das Netz angeschlossen. So kann er, während wir zwischen MTV, The Box und VH1 herumzappen, nach Lust und Laune auf dem Börsensender den Anstieg seiner Aktien verfolgen. Allerdings besteht die Möglichkeit, die anderen Bildschirme an Jamies Fernseher zu koppeln. Lydia versuchte einmal, mir zu erklären, wie das geht. Dazu muss man auf der Fernbedienung eine komplizierte und unendlich lange Tastenkombination drücken, aber ich konnte mir immer nur die ersten sechs bis sieben Schritte merken. Es handelt sich dabei um die
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