Extra scha(r)f
Verschnaufpause. Wir gehen in Jamies Büro. Der ist nicht da, und außerdem ist das der einzige Raum, wo wir vor den Kameras sicher sind.«
Daniel hat Recht. Ich benötige wirklich eine Verschnaufpause. Gut, ich hatte zwar gerade eine vor dem Kiosk, aber eine weitere kann nicht schaden. Daniel und ich stehen wieder vom Boden auf. Während ich meine Knie abklopfe, sehe ich zu Rebecca und Velvet. Beide starren mich an wie verängstigte Kaninchen. »Sorry, tut mir Leid«, sage ich.
»Sollen wir das aufheben?«, fragt Velvet und blickt auf das Chaos am Boden.
»Wenn es euch nichts ausmacht? Charlie und ich müssen uns nämlich um den Zone-Check kümmern«, antwortet Daniel für mich. »Ihr beide kommt doch ein paar Minuten ohne uns klar, oder?«
In Rebeccas Gesicht breitet sich sofort Panik aus. »Was ist mit den Fernsehern?«
Ich sehe zu den drei Bildschirmen hoch. Sie sind alle schwarz. Wahrscheinlich sind sie ausgegangen, als die Fernbedienung herunterfiel, was bedeutet, dass alle anderen Fernseher im Haus ebenfalls aus sind.
Daniel hebt die Fembedienung auf und legt die Batterien wieder ein. »Schalte sie wieder an«, sagt er und reicht Rebecca die Fernbedienung. Als er ihr entgeistertes Gesicht sieht, fügt er hinzu: »Du brauchst nur auf diesen Knopf hier zu drücken, Herzchen. Einmal drücken zum Anschalten, einmal drücken zum Ausschalten. Das schaffst du schon ... Komm, Charlie.«
»Karl ist also ein perverses Schwein und hat das Gewissen eines Serienmörders, Sasha gibt dir an allem die Schuld und weigert sich, mit dir zu sprechen, deine kleine Schwester will dir nicht verraten, wer sie geschwängert hat, und der Chef halst dir die wandelnden Atomtitten auf, um dann von dir zu verlangen, sie wegen eines fatalen Schönheitsfehlers wieder zu feuern ... Willst du mir endlich sagen, was dein eigentliches Problem ist?«, fragt Daniel, der sich in Jamies Ledersessel zurücklehnt und nachdenklich an die Decke blickt, als wäre er ein Seelendoktor.
»Sehr witzig. Das ist mein Ernst, Daniel. Mit einem einzigen Problem könnte ich ja noch umgehen. Aber warum um Himmels willen muss alles gleichzeitig auf mich einstürzen?«
»Weißt du, Süße, schon übermorgen wirst du darüber lachen, das schwöre ich dir.«
Wahrscheinlich hat er Recht. Ich weiß nur nicht, ob ich bis übermorgen durchhalte.
»Ich weiß etwas, das wird dich ablenken«, sagt Daniel. » In deiner Tasche steckt doch Blaizes brandheißer, neuer Videoclip, nicht?«
»Ist das der Grund, weshalb du mich in ]amies Büro gelotst hast?«, entgegne ich und presse meine Tasche an mich. »Und ich dachte, du tust das wegen mir.«
»Natürlich war das wegen dir«, protestiert er, »aber wenn wir schon einmal hier sind, können wir uns das Band doch auch ansehen. Außerdem, du musst wissen, woran du bist. Vielleicht ist auf dem Band keine einzige Sexszene. Vielleicht wusste Blaize aber auch, dass die Kamera läuft, was bedeutet ...«
Er hat Recht. Ich sollte wenigstens einen kurzen Blick darauf werfen, nicht? Nur um sicherzugehen. Nicht um meine brennende Neugier zu stillen, was Blaize im Bett treibt. »Also schön, leg die Kassette ein«, sage ich und werfe Daniel das Band zu. »Aber wir lassen es nur ganz kurz laufen - eine Minute reicht völlig.«
Daniel springt aus Jamies Sessel hoch, stürzt zum Videorekorder und legt die Kassette ein, bevor ich es mir anders überlegen kann. Dann schaltet er den Fernseher und den Videorekorder an und setzt sich neben mich auf das Sofa. Wir könnten theoretisch auch ein Liebespaar sein, das sich gerade einen romantischen Abend macht und Schlaflos in Seattle mit Meg und Tom anschaut ...
Bloß dass, nachdem das Bild da ist, eindeutig nicht Schlaf los in Seattle zu sehen ist, sondern eher Tabulos in South Ken mit Karl und Blaize in den Hauptrollen. »Er kommt offenbar schnell zur Sache, was?«, bemerkt Daniel, während wir verfolgen, wie Karl Blaize auf das Bett schubst und seinen Gürtel aufschnallt. Gleich darauf stößt Daniel aus: »Oh mein Gott, der hat ja ein riesiges Ding. Was für eine Verschwendung, damit Frauen zu beglücken.« Schockiert starre ich auf den Bildschirm. Nicht weil Karls Ding so riesig ist - das ist mir ja hinlänglich bekannt sondern wegen Blaize. Dieser Shootingstar und regelmäßige Gast im Kinderkanal am Samstagmorgen und, wie vor einigen Tagen in der Sun stand, das neue Gesicht einer Kosmetiklinie für junge Haut, reißt sich die Kleider vom Leib, als würde der Weltuntergang bevorstehen
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