Extra scha(r)f
reagieren als ich. Sie könnte nirgendwo anders mehr hinschauen, selbst dann nicht, wenn ihr Leben davon abhinge. Im Ernst, wenn ich sagen würde: »Sieh nicht hin, aber draußen steht ein Irrer, der mit einer Waffe auf deinen Kopf zielt und der abdrückt, sobald du dich bewegst«, würde sie entgegnen: »Wo?« und den Kopf in alle Richtungen drehen.
Jenna hat uns in zwei Gruppen aufgeteilt. Ihre Kurse sind immer derart überlaufen, dass nie alle gleichzeitig tanzen können.
Während unsere Gruppe aussetzt, schauen wir, am Rand stehend, den anderen beim Tanzen zu. Die Mädchen sind alle noch unheimlich jung. Keines davon ist über zwanzig. Alles Töchter reicher Eltern, anderenfalls könnten sie sich die astronomischen Mitgliedsbeiträge gar nicht leisten. Die Sorte Töchter, die einen pinkfarbenen Fun Cruiser geschenkt bekommt - nicht zur bestandenen Führerscheinprüfung, sondern zur ersten Fahrstunde.
Die Mädchen lieben Jenna. Ihre Kurse sind gerammelt voll mit verwöhnten Töchtern aus reichem Hause. Das liegt zum Teil daran, dass Jenna eine ältere Version von ihnen verkörpert - eine sechsundzwanzigjährige Prinzessin mit der Lieblingsfarbe babyrosa. Aber hauptsächlich liegt es daran, dass Jenna momentan eine derart heiße Nummer ist, dass man auf ihr Burger braten könnte. Sie hat bereits mit Kylie, Holly Valance und den Girls Aloud zusammengearbeitet. Ich muss zugeben, Jenna ist eine begnadete Tänzerin - ich wüsste sonst niemanden, der Jay Kay, den Sänger von Jamiroquai, dazu bringt, zur Abwechslung einmal nicht so zu tanzen, als habe er Parkinson.
Ich muss auch zugeben, dass Jenna mir total auf die Nerven geht.
Vor einigen Monaten war Christina Aguilera bei uns, um von MTV interviewt zu werden. Sie war genau so, wie man sich einen supertalentierten und supererfolgreichen amerikanischen Popstar vorstellt. Verwöhnt, divenhaft, das ganze Programm.
Aber verglichen mit Jenna Mason ist Christina Aguilera eine Amateurin.
Jenna tut so, als würde ihr der Laden gehören. Selbst Jamie, dem der Laden tatsächlich gehört, spielt sich nicht so auf wie sie.
Gott, einmal habe ich sogar mitbekommen, wie er Jenna förmlich in den Arsch gekrochen ist. Genau wie Lydia. Lydia kroch aus Prinzip vor niemandem. Mit einer Ausnahme, die Babyrosa und den Namen »Jenna« trägt. Sollte Jenna von mir dasselbe erwarten, bloß weil sie uns großen Zulauf beschert, dann hat sie sich geschnitten. Ich bin kein Arschkriecher. Gut, mag sein, dass ich manchmal vor Lydia gekrochen bin ... selten ... ganz selten. Aber das war etwas anderes. Seinem Chef muss man doch hin und wieder in den Arsch kriechen, oder nicht?
»Jenna macht das einfach klasse«, keucht Sasha, als wir uns mit den Mädchen aus der anderen Gruppe abklatschen. Sie bekommen einen weiteren Tanz, und während Jenna sich vor ihnen aufstellt und ihre Anfangsposition einnimmt, erhält sie einen riesigen Applaus. Offensichtlich stehe ich mit meiner Meinung über Prinzessin Rosa ziemlich alleine da. »Wäre ich nur halb so gut wie sie, müsste ich jetzt vielleicht nicht in der Boutique versauern.«
»Sasha, kannst du endlich damit aufhören, dich selbst schlechter zu machen, als du bist?« Es ist einer der Momente, in denen ich vor Frust kurz davor stehe, sie durchzuschütteln. »Du bist eine erstklassige Tänzerin. Sieh dich an, du bist -«
»Oh, sie sind fertig. Komm, wir sind wieder dran.«
Selbst wenn wir uns nicht in einem brechend vollen Tanzsaal befinden würden, würde Sasha mir nicht weiter zuhören.
Wir beginnen zu tanzen, und meine Gedanken schweifen ab zu ... Karl. Ich frage mich, wie er wohl ist ... Sie wissen schon ... im Bett. Mensch, Mädchen, du solltest mal deinen Verstand mit Seife waschen. Nein, streich das wieder. Männer denken schließlich ständig an so etwas. Warum nicht auch wir Frauen? Diese Frage habe ich übrigens einmal Daniel gestellt, der darauf antwortete, dass er sich bei einem neuen Typen eher fragt, wie dieser wohl außerhalb des Bettes ist ... beziehungsweise außerhalb der Besenkammer oder wo auch immer.
Als wir zum Ende kommen, flüstert Sasha mir zu: »Ich bin verliebt.«
»Im Ernst?«
Ich staune. Sasha ist normalerweise sehr wählerisch bei Männern, sodass die Chance, sechs Richtige im Lotto zu haben, höher ist als die, Sasha zu einem zweiten Date zu überreden. Und nun erzählt sie mir, sie sei verliebt.
»Er heißt Ben«, schwärmt sie los. »Ich glaube, ich habe meinen Traummann gefunden.«
Der Glückliche. Sasha
Weitere Kostenlose Bücher