Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Extra scha(r)f

Extra scha(r)f

Titel: Extra scha(r)f Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Beaumont
Vom Netzwerk:
Mutter hätte jedoch keinen gelasseneren Eindruck machen können, wenn sie im Mischbottich einer Valiumfabrik getaucht hätte. Die Behauptung, meine Mutter könnte sich wegen meines Fortbleibens Sorgen machen, wenn im Fernsehen etwas Gutes - oder auch der letzte Mist - läuft, ist schlichtweg lächerlich. Meine Mutter würde nur dann die Polizei anrufen, wenn ihre TV Quick verschollen wäre.
    Seitdem hat Dad nicht mehr viel mit mir gesprochen. So läuft das jedes Mal. Er weiß, dass ich mich mit Männern treffe, und vermutet nun wahrscheinlich, dass meine angeblichen Besuche bei Freundinnen jedes Mal frei erfunden waren. Dies wiederum missfällt ihm so sehr, dass er es vorzieht, nicht darüber zu reden. Hinzu kommt, dass er mich nun eine Weile mit Schweigen bestrafen wird, nur damit ich auch weiß, dass ihm mein Verhalten missfällt.
    Im Moment starrt er mich wieder vorwurfsvoll im Spiegel an. Emily sitzt neben mir auf der Rückbank. Jedes Mal, wenn ich sie ansehe, sagt sie lautlos Du hast verschissen, was mich dazu veranlasst, sie fest in den Oberschenkel zu kneifen, was sie dazu veranlasst, gegen mein Schienbein zu treten, was mich dazu veranlasst, lautlos Schluss jetzt, du blöde Kuh zu sagen, was sie dazu veranlasst, lautlos Selber blöde Kuh zu sagen, was mich dazu veranlasst, ihren kleinen Finger zurückzubiegen, bis er fast an ihr Handgelenk stößt ... und so weiter. Dadurch, dass wir neun Jahre auseinander sind, hatten wir früher nie die Gelegenheit, uns hinten im Auto zu piesacken. Das holen wir jetzt alles nach.
    Whetstone ist ein langweiliger Vorort im Norden Londons, der überwiegend von Griechen bewohnt ist, die aus dem heruntergekommenen Wood Green weggezogen sind. Wie meine Nouna. Sie ist Witwe. Nach dem Tod ihres Mannes kaufte sie sich in Whetstone eine Doppelhaushälfte mit drei Zimmern. Sie betrachtete das als Beweis, dass Gott existiert. Gott hatte ihr ein Dach über dem Kopf verschafft, als sie eines brauchte. Von der Lebensversicherung ihres verstorbenen Mannes erwähnte sie kein Wort. Inzwischen sind wir fast in Nounas Straße angelangt ... und fahren direkt daran vorbei.
    »Wohin fahren wir?«, frage ich.
    »Zu deine Nouna«, antwortet mein Vater.
    »Du bist gerade an ihrer Straße vorbeigefahren.«
    Keine Antwort. Ich wittere eine Falle.
    »Dad?«
    Immer noch keine Antwort. Ich sehe Emily an. Sie grinst mich dreckig an.
    »Mum?«
    »Deine Nouna ist heute gar nicht zu Hause, Liebes«, entgegnet meine Mutter leise.
    »Wo ist sie?«, frage ich und male mir bereits aus, dass sie im Krankenhaus liegt. Ich kann Krankenhäuser nicht ausstehen. Nicht weil da so viele Kranke sind, so kalt und herzlos bin ich nicht ... Na schön, eben weil dort so viele Kranke sind.
    »Sie ist bei George und Maroulla«, erklärt mein Vater in strengem Ton. »Wir treffen sie da. Hast du eine Problem damit?«
    Emily lacht mich jetzt offen aus, und mir wird klar, dass ich hereingelegt wurde. »Dass ihr es wisst: Ich werde ihn nicht heiraten«, brülle ich. »Ich werde nicht einmal mit ihm reden.«
    »Kannst du dich bitte wieder beruhigen?«, sagt meine Mutter. »Kein Mensch hat von Heiraten gesprochen. Wir sind lediglich zum Mittagessen eingeladen.«
    »Und wozu dann diese Heimlichtuerei?«, frage ich.
    »Wir nicht tun heimlich«, entgegnet mein Vater. »Nur kleine Änderung in Plan, das ist alles. Gestern Nouna hat angerufen, als du schon aus die Haus warst ... in Kleider wie eine Putana.«
    Wenn er glaubt, mich zum Schweigen zu bringen, indem er mich eine Hure schimpft, liegt er richtig. Es war ein großer Fehler von mir, über Nacht wegzubleiben, da er mich dadurch nun in der Hand hat. Wenn ich diesen Streit jetzt weiterführe, wird er ein unerfreuliches Ende nehmen. Besser, ich halte die Klappe und bringe diesen Besuch rasch hinter mich.
    Wir halten vor einem riesigen, freistehenden Haus in Totteridge, ein Vorort, der überwiegend von Griechen bewohnt ist, die aus dem heruntergekommenen Whetstone weggezogen sind. Georges Kleiderfabrik muss ordentlich Gewinn abwerfen. Zu der Villa führt eine Kiesauffahrt, breit genug für sechs bis sieben Fahrzeuge. Da sie bereits zugeparkt ist, stellen wir unseren Wagen am Straßenrand ab. Während ich mich noch frage, wer außer uns wohl alles eingeladen sein mag, öffnet mein Vater den Kofferraum, um die mitgebrachten Desserts herauszuholen, die meine Mutter »selbst« zubereitet hat. Eine Pavlova und ein Käsekuchen mit Schwarzkirschen. Das Einzige, was meine Mutter daran selbst

Weitere Kostenlose Bücher