Extra scha(r)f
Dabei ist ihm wohl bewusst geworden, dass das kein ideales Szenario ist. Ich wusste, er würde zur Vernunft kommen.
Ich beende das Gespräch mit Emily, als Karl sich zu mir ins Wohnzimmer gesellt. Er ist immer noch nackt, und von meiner Sitzposition aus schwebt sein Ding praktisch auf meiner Augenhöhe. Es ist so beeindruckend, dass es mich vergessen lässt, dass ich vorhin ein Schminktäschchen dubioser Herkunft entdeckt habe, genau wie es mich den Umstand vergessen lässt, dass es mir in den zwanzig Minuten, die Karl und ich uns gestern Abend insgesamt unterhalten haben, nicht gelungen ist herauszufinden, wie es um seine Beziehung zu einer gewissen Popsängerin bestellt ist. Die vor einer Weile mit »Big Love« und »Do It Like This« die Charts stürmte. Als ich noch jung und unschuldig war - also vor ein paar Wochen -, hatten diese Lieder keine große Bedeutung für mich, aber wenn ich sie jetzt höre, muss ich mir dabei immer Karls nackten, glänzenden Körper vorstellen, der sich rhythmisch dazu bewegt.
Blaize und Karl.
Karl und Blaize.
Hmmm.
»Woher kennst du sie eigentlich?«, brachte ich in beiläufigem Ton heraus, während Karl sich an mir zu schaffen machte. »Wen?« »Blaize.«
»Ach, ich kenne sie schon seit Jahren. Ich habe bei ihrem ersten Video mitgemacht«, antwortete er, in Gedanken nicht richtig bei der Unterhaltung.
»Seid ihr ... ähm ... befreundet?«, fragte ich und wünschte mir im gleichen Augenblick, es nicht getan zu haben.
»Ja«, entgegnete er mit einem Grinsen, »aber das habe ich nie mit ihr gemacht.« Gleich darauf stöhnte ich laut auf, weil das ebenfalls noch keiner mit mir gemacht hatte.
Im Moment sehe ich Karl an und werde rot bei der Erinnerung an vergangene Nacht.
»Wie wäre es mit Frühstück?«, sagt er.
»Nein ... Es ist besser, wenn ... Ich bin zum Mittagessen eingeladen bei ... bei jemandem.«
Scherzhaft zieht er ein betrübtes Gesicht und sagt: »Sag mir nicht, dass es einen anderen Mann gibt.«
Das nicht gerade - obwohl meiner Nouna auch Haare am Kinn sprießen.
»Nein, ein Familientreffen.«
Karl lässt sich neben mich auf das Sofa plumpsen. Er zieht mich an sich und gibt mir einen Kuss, und ich muss zugeben, es ist sehr, sehr - aber nein, nicht jetzt. Ich bekomme so schon reichlich Ärger zu Hause. Außerdem ist da noch dieses Schminktäschchen. Das mich mehr wurmt, als ich zugeben möchte. Wenn ich darüber nachdenke, kommt es mir sogar bekannt vor. Wo habe ich so ein Täschchen schon einmal gesehen?
Aber warum tue ich mir das überhaupt an? Schließlich ist Karl nicht mein fester Freund. Wir sind lediglich Bettgespielen, wie Daniel es ausdrücken würde. Natürlich hatte/hat Karl was mit anderen Frauen. Die Frage ist nur wann‘! Letzten Monat? Letzte Woche? Kurz bevor ich gestern Abend bei ihm eintraf? Der Gedanke verursacht mir Übelkeit.
Ich unterbreche den Kuss und sage: »Ich muss los.«
»Schade.«
»Ich rufe dich an, ja?« Ich schnappe mir meine Tasche und gehe Richtung Tür.
»Ist nicht nötig«, erwidert Karl. »Ich werde nächste Woche praktisch jeden Tag im Zone sein - wegen der Sache mit Blaize.«
Natürlich, wie konnte ich das vergessen?
Die Sache mit Blaize.
Ich sitze hinten in Dads Mercedes. Sein ganzes Leben lang wollte mein Vater einen Mercedes besitzen, und vor ungefähr einem halben Jahr war es endlich so weit. Der Wagen hat mehr als zehn Jahre auf dem Buckel, rostet und klappert an allen Enden, und das Radio funktioniert nicht mehr. Aber dafür prangt auf der Kühlerhaube der Mercedes-Stern, und das ist alles, was zählt. Vor ein paar Wochen blieben wir auf der Fahrt zu einer Hochzeitsfeier nach Southgate liegen. Während unter der geöffneten Motorhaube dicker schwarzer Qualm hervorquoll und wir auf den Abschleppwagen warteten, lehnte sich mein Vater in seinem besten Anzug gegen den Wagen und beobachtete mit selbstgefälligem Gesichtsausdruck den vorbeifahrenden Verkehr - »Seht mich an. Ich fahre eine Mercedes Benz.«
Im Moment macht mein Vater allerdings kein selbstgefälliges Gesicht. Unsere Blicke kreuzen sich mehrfach im Rückspiegel. Ein glücklicher Mann sieht anders aus.
Nun, ich war ja auch die ganze Nacht über weg, nicht? Und als ich zur Haustür hereinstürzte, hatte ich nicht die Kleidung an, die seiner Meinung nach für einen Krankenbesuch angemessen gewesen wäre.
»Wo du bist gewesen?«, brüllte er mich an. »Wir sind gewesen krank vor Sorge. Deine Mutter hat gewollt ich anrufe bei Polisei.«
Meine
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