Extra scha(r)f
zubereitet hat, war, die Sachen aus der Verpackung zu nehmen, nachdem mein Vater sie im Supermarkt besorgt hatte. Dad drückt Emily und mir die Geschenke in die Hände. Als er mir einen Stapel Pralinenschachteln reicht, nehme ich seinen Geruch wahr. Er hat sich mit Old Spiee übergössen. Bevor wir vorhin aus dem Haus gingen, sah ich nämlich, wie er den gesamten Inhalt der Flasche auf seinem Oberkörper verteilt hat. Im Grunde hätte ich spätestens zu diesem Zeitpunkt stutzig werden - die Desserts, der Berg von Geschenken, das Rasierwasser - und raffen müssen, dass dies kein gewöhnlicher Besuch bei meiner Patentante werden würde.
Ich werfe einen Blick auf meine Uhr: Viertel nach eins. Wir sind respektable fünfundvierzig Minuten zu früh. Typisch griechisch. Immer dann, wenn wir unbedingt pünktlich sein müssen, kommen wir garantiert zu spät. Aber wenn es höflicher wäre, ein paar Minuten zu spät zu kommen, sind wir schon einen Tag früher da.
»Ich kann aber nicht lange bleiben, wisst ihr«, sage ich. »Ich muss nämlich nachher noch ins Studio, weil unsere PCs aufgerüstet werden.« Was natürlich frei erfunden ist, aber ich brauche einen guten Vorwand für den Fall, dass Dad auch nach seiner fünfzigsten Partie Backgammon nicht gehen möchte und es den Anschein hat, als würden wir bei den Georgious einziehen.
»Scheiße Arbeit. Du nicht kennst eine andere Thema?«, brüllt Dad mich an. »Warum du nicht kannst sein wie andere Mädchen und dich interessierst für normale Sachen?«
Gibt es tatsächlich Eltern, die ihre Töchter dazu ermutigen, Karriere zu machen? Meine halten meine Knöchel umklammert und zerren mich herunter, und das, wo ich doch gerade mal die erste Sprosse auf der Karriereleiter erklommen habe.
Mum legt die Hand auf meinen Arm und sagt: »Sei lieb, Charlotte. Maroulla hatte es in letzter Zeit nicht leicht. Ihr Vater hatte vor ein paar Monaten einen Schlaganfall.«
»Oh«, sage ich betroffen. »Wie alt ist er?«
»Siebenundneunzig, glaube ich.«
»Nein, ich glaube es nicht! Ein Siebenundneunzigjähriger hatte einen Schlaganfall, und das ist ein großer Schock?«
»Charlotte«, zischt meine Mutter mich an.
Bepackt wie Maulesel betreten wir das Grundstück und marschieren die Auffahrt hoch. Emily geht hinter mir. Sie summt den Hochzeitsmarsch. Ich bleibe kurz stehen und stampfe ihr mit voller Wucht auf den Fuß. Dann zische ich ihr zu: »Vergiss nicht, selbst wenn es ganz schlimm für mich kommen sollte, ich bin immer noch stärker als du. Ich mache dich fertig.«
Zur Antwort streckt sie mir die Zunge heraus. Oh ja, sehr erwachsen.
Dad drückt auf die Klingel, und ich sterbe fast, als die Tür geöffnet wird.
»Mama, Papa.« Vor uns steht meine hochschwangere Schwägerin Soulla. Georgina, ihre vierjährige Tochter, sitzt auf ihrer Hüfte und starrt uns missmutig an. Diese kleine Göre ist derart verwöhnt, dass sie ernsthaft glaubt, Disneyland Paris würde ihr alleine gehören und die anderen Kinder würden dort nur dank ihrer Gnädigkeit geduldet. Tony, mein Bruder, steht hinter seiner Frau mit einem dümmlichen Lächeln im Gesicht. Es hat den Anschein, als würde Tony sämtliche Phasen der Schwangerschaft zusammen mit seiner Frau durchleben - jedenfalls was die Gewichtszunahme betrifft, so viel steht fest. Der arme Tony. Er hat eindeutig die Gene unseres Vaters vererbt bekommen; wenn man die beiden so nebeneinander sieht, erinnern sie eher an Zwillinge als an Vater und Sohn. Ich kann nicht fassen, wie sehr Tony seit Georginas Geburt gealtert ist. Und vor allem kann ich nicht fassen, dass er und seine Frau ebenfalls eingeladen sind.
Um mich herum steht meine gesamte Familie versammelt und freut sich über das Wiedersehen. Wie immer. Und wie immer bin ich das schwarze Schaf in der Runde. Wo ich auch bin, was ich auch mache, ich werde immer das schwarze Schaf der Famriie sein. Ich bin zur einen Hälfte griechisch, zur anderen Hälfte englisch, nichts Halbes und nichts Ganzes. Zu Hause soll ich die brave griechische Tochter spielen, aber wie mein Vater Ihnen bestätigen wird, bin ich darin eine Niete. Bei der Arbeit soll ich Vollprofi sein und alles unter Kontrolle haben, aber ich habe das Gefühl, als würde eine Katastrophe die nächste jagen. Vor meiner Beförderung hatte ich viel Spaß bei der Arbeit: mit Daniel und den Mädchen abhängen, lästern, herumalbern. Doch jetzt, wo ich die Geschäftsführerin bin, kommt es mir vor, als sei alles anders. Seit Lydias spitzer
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