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Extra scha(r)f

Extra scha(r)f

Titel: Extra scha(r)f Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Beaumont
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ebenfalls die Schuld«, sage ich und kröne meine Bemerkung mit »oder was, Dean?«
    »Ich wünschte, ich könnte das ... Nein, das ist allein meine Schuld. Meine verdammte Schuld.«
    Ich könnte mich selbst treten. Dino ist offensichtlich am Boden zerstört, und ich mit meiner großen Klappe streue Salz in die frische Wunde. Komisch, nicht? Seit Dino in unserem Haus Thema ist, zucke ich bereits bei der bloßen Erwähnung seines Namens zusammen, und jetzt habe ich ... Was? Mitleid mit ihm? Ja, ich glaube schon. Der Arme macht wirklich einen niedergeschmetterten Eindruck ... und er ist wirklich verdammt süß.
    »Liebst du sie?«, frage ich behutsam.
    »Nein, so würde ich das nicht nennen. Wir kennen uns erst seit ein paar Monaten, aber vielleicht hätte etwas daraus werden können ...« Er verstummt kläglich. Oh Mann, jetzt sieht er erst recht zum Anbeißen aus.
    »Warum hat es nicht geklappt?«, frage ich weiter mit Samariterstimme.
    »Das ist völlig verrückt. Du würdest es gar nicht glauben.«
    »Ich möchte es aber hören«, lasse ich nicht locker. »Es kann kaum verrückter sein als das, was ich heute Abend erlebt habe.«
    »Es war wegen der Wüstenspringmaus.«
    »Wegen was?«
    »Ist dir der Käfig aufgefallen, den Coral in der Hand hielt? Darin war eine Wüstenspringmaus. Das ist eine Art Ratte, die aus Nordafri-«
    »Ich weiß, was eine Wüstenspringmaus ist. Erzähl weiter.«
    »Coral ist ganz vernarrt in das Vieh. Sie hat die Maus ›Nelson‹ getauft, weil sie nur noch ein Auge hat. Nelson, die einäugige Wüstenspringmaus ...«
    Eine Blondine mit einer Schwäche für sehbehinderte Nagetiere. Am heutigen Abend kann mich wirklich nichts mehr überraschen.
    »... Wie auch immer, vor ein paar Tagen fuhr Coral weg, um an einem Seminar teilzunehmen, und ich sollte mich so lange um Nelson kümmern.«
    »Eine große Verantwortung«, bemerke ich und bereue es sofort wieder, weil es zynisch klingt, was ich gar nicht sein möchte. Jedenfalls nicht, wenn Dino einen so verletzlichen Eindruck macht. Ich begreife mich selbst nicht. Eigentlich müsste ich vor Wut auf meinen Vater schäumen beziehungsweise vor Wut auf mich selbst wegen Karl/Ben/Sasha, aber stattdessen verfalle ich hier in Mitleid ... Aber was soll‘s?
    »Sogar eine gewaltige Verantwortung«, erwidert Dino. »Hast du gewusst, dass Wüstenspringmäuse über einen Meter hoch springen können, wenn sie sich erschrecken? ... Ich auch nicht, jedenfalls bis gestern nicht. Ich ließ Nelson aus dem Käfig, damit er im Wohnzimmer herumflitzen konnte. Dann ließ ich versehentlich ein Buch auf den Boden fallen, woraufhin Nelson vor Schreck in die Höhe gesprungen ist und sich den Schädel am Esstisch eingeschlagen hat. Tja, jetzt ist er mausetot.«
    »Aber ich habe doch gesehen, dass er sich im Käfig bewegt hat.«
    »Das war sein Nachfolger, den ich heute Nachmittag gekauft habe.«
    »Ich finde, du bist ein wenig streng mit dir, Dino. Nelsons Tod war ein Unfall. Coral hätte das bestimmt verstanden.«
    »Tja, vielleicht, aber ... Ich steckte in einem Dilemma, verstehst du?« Er senkt den Blick auf den Boden, als würde er sich schämen.
    »Wie meinst du das?«, frage ich und unterdrücke den Impuls, über seine Hand zu streicheln.
    »Ich hatte zwei Möglichkeiten: entweder Coral die traurige Wahrheit zu beichten und ihr zum Trost eine neue Maus zu schenken, oder ...«
    »Oder?«
    »Oder sie anzulügen und die neue Maus als Nelson auszugeben.«
    »Augenblick«, unterbreche ich ihn, stutzig geworden, »du Sagtest doch, Nelson hatte nur noch ein Auge.«
    »Ich war mir sicher, dass ich das hinkriege. Menschen und Wüstenspringmäuse unterscheiden sich nicht so sehr in ihrer Anatomie. Gut, ich bin zwar kein Chirurg, aber ich hätte das Auge bestimmt entfernen können, ohne dass das Tier etwas gespürt hätte.«
    »Was redest du da? Du wolltest allen Ernstes ein völlig gesundes Tier verstümmeln, um den Tod seines Artgenossen zu vertuschen?«
    »Ja, aber nur, um Coral Kummer zu ersparen. Ich hatte schon alles bereitgelegt, was man für so einen Eingriff benötigt, Instrumente, Betäubungsmittel. Ich wollte gerade das Skalpell ansetzen, doch dann kam Coral früher als erwartet zurück -«
    »Du wolltest dem armen Tier tatsächlich ein Auge herausschneiden?« Im Grunde brauche ich keine weitere Bestätigung, aber ich kann nicht anders.
    »Mann, du bist genauso schlimm wie Coral. Ich dachte, ich tue das Richtige. Verstehst du, so eine Operation ist gar nicht so

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