Extraleben - Trilogie
Weil der Tandy so wenig Strom nippt, hat die Nasa den gleichen Prozessor auch in ihren Mars-Rover gesteckt. Auf der Erde fuhren Walfisch-Forscher, Reporter und IT-Schrate jeder Art auf den Tandy ab. Und die wollen jetzt ihre Memoiren aus der Mottenkiste rausgezogen haben. Tadaaa! An dieser Stelle tritt der brutalst überbezahlte Data Retrieval Specialist auf den Plan und krempelt sein Brooks-Brothers-Hemd hoch. Das heißt, so richtig hochkrempeln muss er die Ärmel nicht mehr. Nach gefühlten 175Tandys kann ich die Dinger im Schlaf auslesen: einfach hinten dieses Kästchen dranstecken, das so tut, als ob es ein externes Diskettenlaufwerk ist, warten, bis das Wunderding alle Daten abgesaugt und auf einen normalen Speicherchip gepackt hat. Fertig. So simpel, dass es schon fast peinlich ist. Jedes Mal frage ich mich, warum sich die Datacorp nicht einfach selbst für 100 Dollar so ein Auslesegerät bestellt hat. Was am Schluss so aus dem digitalen Orkus auftaucht, lese ich mir schon lange nicht mehr durch. Ein Großteil gehört ohnehin in den I-always-loved-you-darling-Schmalz-Ordner, weil es meist irgendwelche Enkel sind, die Opas alten Rechner zu uns einschicken. Nur letzte Woche, da war mal wieder ein echtes Highlight dabei: In dem Tandy, den die Datacorp rübergeschoben hat, steckten die Lebenserinnerungen eines Silicon-Valley-Pioniers. Wirklich pures Gold. Am besten war eine Story, die der Typ aus seiner Studi-Zeit aufgeschrieben hat. 1971oder 1972 muss das gewesen sein. In Stanford hatten sie damals wohl gerade ihren ersten Arpanet-Anschluss gekriegt, und die Studis überlegten sich nun, wie sie die neue Technologie nutzbringend einsetzen konnten. Das waren die Siebziger. und die Antwort hatte man schnell gefunden: Dope. Per Mail kontaktierten die Informatiker ein paar Kollegen am MIT, also am anderen Ende des Landes, und machten aus, sich gegenseitig einen fetten Batzen Marihuana zu schicken. Da wurde der E-Commerce geboren! Steht in den Geschichtsbüchern komischerweise nicht drin. Solche Perlen sind aber leider selten; die meisten geretteten Dateien enthalten wie gesagt die Memoiren von Herren, die alt, aber nicht weise geworden sind. Anders als Nickybaby muss der Data Retrieval Specialist natürlich auch keine Dienstreisen machen. Die Kisten kommen immer per Kurier. Paket auf, Daten auslesen und hochladen - schon ist das Gehalt verdient. Umso seltsamer, dass mich Major Tom heute persönlich sehen will.
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Major Tom heißt in Wirklichkeit nicht Major Tom, sondern John, und ist seit zwei Jahren unser Chef. Wir nennen ihn deshalb Major Tom, weil er aussieht wie ein Astronaut und Nick und ich die letzten Menschen auf diesem Felsen im Weltraum sind, denen dabei zuerst »Space Oddity« von Bowie einfällt. John gehört jedenfalls zu diesen amerikanischen Übermenschen, die mit jeder Körperzelle Perfektion ausstrahlen. Ihre Zähne strahlen wie weiße Orgelpfeifen und stecken in einer Kinnlade, die breit ist wie ein Bagger. Ihr Brustkorb füllt das Business-Hemd aus, als würde ein Fass darunterstecken. Sie laufen den Halbmarathon in weniger als anderthalb Stunden und drücken locker 150 Kilo auf der Bank. Doch was besonders ärgerlich ist: Sie weigern sich einfach, ins Klischee des dumpfen Quarterbacks zu passen, sondern reißen nebenher noch Astrophysik summa cum laude runter. All das trifft - wenn der spärliche Kollegen-Tratsch stimmt - auf Major Tom zu. Aber eigentlich wissen wir nichts über ihn. Weder wie alt er ist noch wie er mit Nachnamen heißt oder wo er wohnt. Hat er überhaupt ein Zuhause? Außer in Flughafen-Lounges, Mietbüros oder Rechenzentren haben wir ihn jedenfalls noch nie getroffen. Er schwebt wie ein echter Astronaut über den Dingen. Das hat natürlich Methode. Denn viele Klienten der Datacorp sind Agencies - Behörden, Geheimdienste und staatliche Forschungs-laboratorien. Die behandeln ihre Mitarbeiter ja seit jeher nach dem Champignon-Prinzip: Keep them in the dark and feed them shit. Halt sie im Dunkeln und gib ihnen Scheiße zu fressen. Je weniger sie wissen, umso besser. Genau diesen Kurs fährt die Datacorp. Keine Namen, keine Adressverzeichnisse, kein Organigramm. Bei allen Aufträgen beleuchten sie nur ein klitzekleines Stück Weg vor dir, sodass du gerade nicht über ein Hindernis stolperst, aber der Rest immer schön im Dunkeln bleibt. Bevor ihn die Databorgs assimiliert haben, vertrat Nick sogar mal kurzfristig die Theorie, dass der Laden der CIA oder NSA gehört. Fest steht,
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