Extraleben - Trilogie
nur diese geballte Verklemmtheit aus? Keine weiteren Tiger in deinen Tank, Dude, sonst kriegen wir das Tape heute nicht mehr geknackt. Das ist meine Show, verdammt! Ich versuche, meinen Vortrag seriös fortzusetzen.
»Jedenfalls bringt Fisher Price dieses Teil raus, die PXL2000. Mit der Kamera kann ab sofort jeder Junge sein eigener Videoregisseur sein, und das für gerade mal 100 Dollar.«
Herrlich, ein Produkt, das 2000 im Namen trägt, eigentlich eher typisch für die Siebziger. Wir checken das Foto aus dem Netz. Die Kamera sieht aus wie eine Super -8-Kamera für Barbies, mit abgerundeten Ecken und dem damals üblichen Overkill an Knöpfchen und Schiebereglern. Quer über das klapprige Plastikgehäuse zieht sich ein hässlicher Rallyestreifen mit dem Schriftzug PXL2000 drauf. Unten aus dem Klotz schauen vier überdimensionale Tasten raus: Record, Play, Rewind und Stop - genau wie bei einem Kassettenrekorder. Und ziemlich genau das war die Pixelvision auch.
»Und jetzt kommt der Hammer: Weil die Kids sich kein teures Bandmaterialleisten können, zeichnet die Kamera ihre Bilder auf eine stinknormale Audiokassette auf. Video auf Musikkassette!«
Obwohl Nick den Kopf sehr wissend zur Seite gekippt hat, merke ich, dass er von dem Teil noch nie gehört hat. Kee: 1-Nick: 0.Yess! Es ist Zeit, unbarmherzig wie mein großes Vorbild zur Detailschaufel zu greifen: „Damit die Bilddaten auf das Tape passen, läuft das Band mit gut achtfachem Tempo durch. Bei normalen Tempo abgespielt, dürfte das ziemlich seltsam klingen. Kommt uns bekannt vor, oder? Na ja, jedenfalls schaffen es die Techniker von Fisher Price mit ihren technischen Tricks tatsächlich, ein paar Minuten Film - schwarz-weiß, versteht sich - auf eine Neunzig-Minuten-Kasi zu quetschen.«
Und jetzt, mein lieber Watson, kommen wir zum alles entscheidenden Beweis.
»Dabei zeichnet die Pixelvision die Bilddaten auf dem linken Kanal auf und den Ton auf dem rechten.«
Nicks Mund steht offen.
»Echt?«
»Echt.«
Genau wie bei der Kassette aus lrvings Bude. Ich überfliege den Rest der Info.
»Na ja, das Teil floppte jedenfalls gewaltig und wurde 1989 wieder vom Markt genommen. Bei dem Mördertempo, den das Band draufhatte, rissen die Antriebsriemen andauernd; außerdem kriegten es kleine Kinder mit der Angst, wenn sie die Filme anguckten, weil durch die billige Optik alle Gesichter wie Gespenster aussahen.«
»Ich bin der Choppeeeer«, röchelt Nick. So albern war er schon lange nicht mehr drauf - an sich erfreulich, nur im Moment etwas ungelegen. Die Info, dass die Pixelvision-Kamera danach hauptsächlich von lesbischen Independent-Filmerinnen benutzt wurde, spare ich lieber mal aus. Sonst kriegt sich der alte Klemmi überhaupt nicht mehr ein. Ich schiebe den Rechner zu ihm rüber .
»Wir haben einen Auftrag, würde ich sagen.«
Sofort findet Nick zu alter Dienstbeflissenheit zurück.
»Alles klar. Mal sehen, wie es in Vaters Höhle ausschaut!«
$002E
Ein neues Taxi, ein neuer Inder, die Achterbahn setzt sich wieder in Bewegung, diesmal zurück ins Hotel.
»Komm schon, komm schon, komm, kleiner Schlagmann, mach mit!«
Nick trommelt gegen die Portabdeckung des Dienstrechners. als ob er ein lahmes Pferd über eine letzte Hürde peitschen müsste. Wenn auf eine Sache Verlass ist, dann die: Sobald ihn eine Maschine zum Duell auffordert, ist alles andere vergessen: die Schwüle, die Müdigkeit, sogar die Tiger-Biere. Da ist er echt launisch im positivsten Sinn. Hoch konzentriert wie ein Formel-I-Pilot vor dem Start scannt Nick die Zeilen auf seinem Bildschirm; dabei zucken seine Pupillen mit einem fast erschreckenden Tempo hin und her. Ob ihm die Databorgs irgend ein Zeug mitgegeben haben, Speed oder so? Um der Musikkassette die Videobilder zu entlocken, reicht meine lächerliche Technik-Einführung natürlich nicht aus. Das waren profane Informationen für Anwender, die FAQ. Für die echte Arbeit muss der Profi zurück an die Quelle gehen. Ein paar Großbuchstaben huschen über Nicks Bildschirm. NUMBER 5, 010,415 APPARATUS FOR STORING VIDEO SIGNALS ON AUDIO CASSETTE. Er scannt die Patentschrift der Pixelvision-Kamera nach Hinweisen, die uns helfen können, die Daten auf der Kasi zu entschlüsseln. Den Ton auf dem rechten Kanal haben wir ja schon, jetzt fehlt nur noch das Bild.
»Looking for the gift of sound and vision«, spricht er vor sich hin, während er die Bildschirmseiten ohne anzuhalten runterscrollt; schnell lesen konnte er schon immer, aber
Weitere Kostenlose Bücher