Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Extrem

Extrem

Titel: Extrem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Goedde
Vom Netzwerk:
Fernseher kleben lassen, so Menninghaus: Zwar haben bereits Babys die Anlagen für unseren Ekel-Schutzmechanismus, doch dass es ungesund sein kann, mit den eigenen Fäkalien zu spielen, lernen Kinder erst im Alter von vier bis fünf Jahren. Wenn wir dann groß sind, lassen wir die Spielereien besser bleiben – und gucken stattdessen „Dschungelcamp“. Damit kompensieren wir das alltägliche Funktionieren-Müssen des Erwachsenenalltags. Für knappe zwei Stunden brechen wir aus und tun wieder so, als seien wir noch klein. „Dschungelcamp“ ist also quasi Kinderfernsehen für Erwachsene.
    Eine weitere Erklärung für den Erfolg derartiger Sendungen gibt Trendforscher Andreas Steinle, indem er auf unsere niederen Instinkte wie Schadenfreude und die Lust an der Erniedrigung anderer hinweist. Es steht in der Macht des Zuschauers, die Promis im wahrsten Sinne „in die Sch… zu reiten“, sie zu retten oder untergehen zu lassen.
    Zu guter Letzt hat Voyeurismus aber auch immer etwas Horizonterweiterndes. „Dass die Reize des Schönen […] viel zu schnell langweilig werden, erkannte schon Aristoteles“, kommentiert Menninghaus die andere Seite unserer Ekel-Faszination. Dass es diese Seite in uns gibt, sollten wir uns immer mal wieder vor Augen halten, genauso wie die Unterschiedlichkeit der Kulturen: Während die chinesische Prinzessin Li Si in Michaels Endes Jim Knopf zu unserer Verwunderung angewidert ausruft: „Käse, ist das nicht verschimmelte Milch?“, können wir uns wohl nicht vorstellen, was bei den Tungusen in Sibirien als Liebesdienst an den Alten gilt, nämlich den Großeltern den Rotz aus der Nase zu saugen.

Was wir hören, wenn wir nichts hören
    Im Dezember 2010 versuchte eine Gruppe von Musikern, die sich Cage against the Machine nannte, die britische Popwelt zu
     erobern. Der Song, mit dem sie antraten, klang in notierter Form in etwa so: – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – .
    Stille. Stille! Auf dem Titel, der im Internet zum Download bereitstand, hörte man absolut NICHTS! Der Song dauerte genau 4 Minuten und 33 Sekunden, und er erreichte bei Facebook die Marke von mehr als 89 000 Fans. Dabei handelte es sich eigentlich um ein Remake, denn der amerikanische Komponist John Cage hatte das Musikstück, das nur aus Stille besteht, schon 1952 erfunden – und wollte damit auf die unzähligen Geräusche aufmerksam machen, die uns umgeben.
    Stille ist für viele Dinge, die wir tun, eine notwendige Voraussetzung, zum Beispiel wenn wir uns konzentrieren. Das liegt daran, dass die unzähligen akustischen Reize, die auf unsere Sinnesorgane einströmen, unser Gehirn permanent beschäftigen. Unterhalten wir uns mit jemandem, so müssen die Geräusche, die nicht zur Sprache gehören, herausgefiltert und als unwichtig beiseite geschoben werden. Handelt es sich dabei aber um das Klingeln des Telefons – und sei es auch noch so leise, weil das Handy tief in der Tasche vergraben liegt –, so muss das Gehirn sofort umschalten, das Geräusch als wichtig identifizieren und uns zu einer Reaktion darauf veranlassen. In unserem Kopf arbeitet es also ständig, ohne dass wir uns all der Aufgaben bewusst sind, die von unseren grauen Zellen nebenbei erledigt werden. Wie das Filtern von wichtigen und unwichtigen Geräuschen. Unser Gehör ist immer auf Empfang gestellt, und an seinem Eingang sind Mitarbeiter postiert, die ungebetene Gäste abweisen, damit sich der Chef in der oberen Etage seinen Tätigkeiten widmen kann. Je weniger Geräusche an unser Ohr dringen, desto weniger Mitarbeiter braucht es für diese Arbeit – umso mehr Kapazitäten haben wir für die Dinge frei, auf die wir uns wirklich konzentrieren wollen.
    Stille ist jedoch nicht nur eine notwendige Voraussetzung dafür, dass wir uns konzentrieren können. Zwischen Phasen der Aktivität braucht unser Körper Phasen der Ruhe. Ein wesentlicher Teil jedes Muskeltrainings ist nicht nur die An-, sondern auch die Entspannung. Auf das Krafttraining folgt die Massage. Ebenso gehört zu einer ausgewogenen Ernährung zwar sicherlich nicht das Zuviel – die Völlerei –, das Zuwenig hingegen, das Fasten, kann gesund sein. Es hat unter anderem die Funktion, den Körper von den Giften zu reinigen, die er mit der Nahrung aufnimmt. Manche Menschen halten sich mit geradezu asketischen Ernährungsplänen fit – indem sie auf viele Nahrungsmittel, zum Beispiel Fleisch oder Zucker, gänzlich verzichten und

Weitere Kostenlose Bücher