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Ezzes

Ezzes

Titel: Ezzes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Pittler
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Morgen müss ma dem Fräulein Kati an B’suach abstatten. Und zu dem Zweck wirst a glei in Linz nach der Adresse von derer ihre Eltern anfragen, hast mi?“
    „Eh. Des moch i glei, wamma wieder im Büro san.“ Pokorny machte eine kleine Pause. „Und, trink’ ma no a Achterl?“
    Bronstein rang mit sich, ob ein Erstrecken der Pause noch in den Bereich des Zulässigen fallen würde, als er plötzlich eine weibliche Stimme vernahm.
    „David? Bist du das?“
    Er sah auf. Direkt hinter dem Maschendrahtzaun, der den Schanigarten vom Trottoir schied, stand eine wunderschöne Frau von etwa dreißig Jahren, in der er erst auf dem zweiten Blick Jelka erkannte. Jelka war neun Jahre zuvor im Gegensatz zur Seiler tatsächlich eine Politkommissarin gewesen, und sie hatte in der Revolution durchaus eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. Ob sie noch immer in der KPÖ war?
    „Ja Jelka! Jessasmarandana, dass’s des gibt!“ In Bronsteins Stimme schwang seine Überraschung überdeutlich mit. „Jetzt bin i baff. Was machst denn du da?“
    „I wohn da. Gleich da drüben, in dem Gemeindebau.“
    „Und was machst du jetzt so? Hast vielleicht a wengerl Zeit?“ Bronstein hatte blitzartig einen Entschluss gefasst. Wenn Jelka nicht in Eile war, dann würde er Pokorny allein ins Präsidium schicken und stattdessen alte Erinnerungen auffrischen. Erwartungsvoll sah er Jelka an.
    „I komm grad von der Arbeit. Also ja, i hätt’ Zeit.“
    Kurz entschlossen gab er Pokorny Order, sich ins Präsidium zu verfügen und dort alles für die morgige Dienstfahrt vorzubereiten. Er würde etwas später nachkommen. Pokorny blickte seinen Vorgesetzten unsicher an, verstand dann und machte einen Abgang.
    Jelka lächelte: „Magst mitkommen, ich mach dir einen Kaffee.“ Sie hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, da war Bronstein schon beim Wirten, um die Rechnung zu begleichen. Einen Wimpernschlag später hakte er sich bei ihr unter und meinte nur: „Gemma.“
    Jelkas Küche glich jener der Seiler und der Breuer bis aufs kleinste Detail. Bronstein war sich sicher, dass die Grundrisse der Gemeindewohnungen auf jeder Stiege und in jedem Stock gleich waren. Er setzte sich auf die Sitzbank, von der aus er den gleichen Ausblick hatte wie vor einer Stunde. Jelka hantierte derweilen an der Kaffeemaschine herum, was Bronstein dazu benutzte, sie näher in Augenschein zu nehmen.
    Sie hatte kein Gramm zugenommen seit dem 18er Jahr. Ihre lockigen Haare waren noch so dunkel wie damals und auch genauso üppig. Das Gesicht hatte sich die jugendliche Anmut bewahrt, und auch sonst deutete nichts darauf hin, dass Jelka schon auf die dreißig zuging oder diese sogar schon überschritten hatte. Dann sah er sich in der Küche um. Über der Tür hing ein Lenin-Porträt, daneben erkannte er den Spitzbart Trotzkis.
    „Bist du eigentlich noch in der Partei? In der KPÖ, meine ich.“
    Jelka sah ihn mit einer leicht melancholischen Miene an. „Ja, aber ich war dabei schon glücklicher.“
    „Wie meinst jetzt nachher das?“
    Jelka stützte sich mit den Handflächen auf dem Tisch auf und sah Bronstein direkt in die Augen: „Willst das wirklich wissen, oder fragst nur aus Höflichkeit?“
    Bronstein tat empört: „Ich will alles wissen. Ich will wissen, wie es dir seit Juni 1919 ergangen ist, ich will wissen, was du heute so machst, und ja, ich will auch wissen, ob du noch politisch so aktiv bist wie damals.“
    Unwillkürlich musste Bronstein an ihre damalige Beziehung denken, die letztlich daran gescheitert war, dass sie hauptamtliche Kommunistin, er aber hauptamtlicher Polizist gewesen war. Im Juni 1919 hatte sie den damaligen Putsch der KPÖ maßgeblich mitgeplant und war nach seinem Scheitern gezwungen gewesen, nach Ungarn abzutauchen, wo die Kommunisten damals an der Macht waren. Sie hatte ihn von heute aufmorgen verlassen, ohne ihm auch nur eine Zeile zukommen zu lassen. Wie war er damals in Sorge gewesen um sie, er hatte sie tot gewähnt und danach Tage in den diversen Gefängnissen Wiens auf der Suche nach ihr verbracht, ehe er einen anonymen Hinweis erhielt, dass sie in Budapest sei. So musste er wenig später neuerlich um sie zittern, als die ersten Berichte über die Konterrevolution in Ungarn eintrafen. Erst zwei Jahre später hatte er durch einen gemeinsamen Bekannten einen Brief aus der Sowjetunion ausgehändigt bekommen, in dem sie ihn wissen ließ, dass ihr über Cop die Flucht ins Vaterland der Werktätigen gelungen sei, wo sie nun den

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