Fabelheim: Roman (German Edition)
Versehen war«, sagte Opa. »Kannst du mich verstehen, Seth? Schlag dreimal mit deiner Flosse, wenn du begreifst, was ich sage.«
Die Flosse klatschte dreimal auf die Pflastersteine.
»Es war sehr töricht, eine Fee zu fangen, Seth«, fuhr Opa fort. »Ich habe dich gewarnt, dass sie nicht ungefährlich sind. Aber ein Teil der Schuld trifft mich. Wahrscheinlich hat Maddox dich auf die Idee gebracht, und du wolltest eine Karriere als Feenhändler beginnen.«
Seth nickte unbeholfen, wobei sein gesamter aufgeblähter Leib auf und ab hüpfte.
»Ich hätte es dir ausdrücklich verbieten sollen. Ich vergesse immer wieder, wie neugierig und waghalsig Kinder sein können. Und wie findig. Ich hätte nie für möglich gehalten, dass es dir tatsächlich gelingen könnte, eine zu fangen.«
»Was für eine Art von Magie hat er benutzt?«, fragte Kendra, einem hysterischen Anfall nahe.
»Wenn eine gefangene Fee von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang im Haus festgehalten wird, verwandelt sie sich in einen Kobold.«
»Was ist ein Kobold?«
»Eine gefallene Fee. Abscheuliche kleine Kreaturen. Kobolde verachten sich ebenso sehr, wie Feen sich bewundern. So, wie Feen sich zu Schönheit hingezogen fühlen, fühlen Kobolde sich zu Hässlichkeit hingezogen.«
»Ihre Persönlichkeit ändert sich so schnell?«
»Ihre Persönlichkeit bleibt die gleiche«, antwortete Opa. »Seicht und egozentrisch. Die Veränderung der äußeren Erscheinung offenbart die tragische Seite ihres Charakters. Eitelkeit gerinnt zu Elend. Sie werden gehässig und eifersüchtig und suhlen sich im Leid.«
»Was ist mit den Feen, die Maddox gefangen hat? Warum verwandeln sie sich nicht?«
»Er vermeidet es, die Käfige über Nacht im Haus zu lassen. Seine gefangenen Feen verbringen zumindest einen Teil der Nacht im Freien.«
»Man kann verhindern, dass sie zu Kobolden werden, einfach indem man den Behälter nach draußen stellt?«
»Manchmal bewirken simple Maßnahmen einen mächtigen Zauber.«
»Warum haben die anderen Feen Seth angegriffen? Warum kümmert sie das Schicksal ihrer Gefährtin, wenn sie so selbstsüchtig sind?«
»Es kümmert sie, eben weil sie selbstsüchtig sind. Jede Fee macht sich Sorgen, dass sie die Nächste sein könnte. Ich habe gehört, dass Seth der Fee einen Spiegel ins Glas gelegt hat, so dass sie sich nach ihrer Verwandlung ansehen konnte. Die Feen betrachten dies als einen Akt besonderer Grausamkeit.«
Opa beantwortete ruhig jede Frage, ganz gleich, wie anklagend oder wütend Kendra sie stellte. Seine Gelassenheit half ihr, sich ein wenig zu beruhigen. »Ich bin davon überzeugt, dass es ein Unfall war«, sagte sie.
Seth nickte heftig, und sein Schwabbelspeck wackelte.
»Ich vermute keine Bosheit dahinter. Es war ein unglückliches Missgeschick. Aber die Feen interessieren sich herzlich wenig für seine Motive. Es ist ihr Recht, Vergeltung zu üben.«
»Du kannst ihn zurückverwandeln.«
»Das übersteigt meine Fähigkeiten bei weitem.«
Seth stieß ein langes, klagendes Brüllen aus. Kendra tätschelte seinen Höcker. »Wir müssen etwas tun!«
»Ja«, sagte Opa. Er legte die Hände über die Augen und zog sie dann über sein Gesicht. »Es wäre nicht leicht, deinen Eltern das zu erklären.«
»Wer kann ihn wieder in Ordnung bringen? Maddox?«
»Maddox ist kein Magier. Außerdem ist er schon lange wieder fort. Obwohl mir diese Lösung nicht gefällt, fällt mir nur eine einzige Person ein, die vielleicht in der Lage ist, den Zauber, mit dem dein Bruder belegt wurde, wieder aufzuheben.«
»Wer?«
»Seth hat sie bereits getroffen.«
»Die Hexe?«
Opa nickte. »Unter den gegebenen Umständen ist Muriel Taggart unsere einzige Hoffnung.«
Die Schubkarre holperte über eine Wurzel und geriet ins Schwanken. Dale konnte sie jedoch festhalten. Seth stöhnte. Er war nackt, bis auf ein weißes Handtuch, das sie ihm um die Hüften gebunden hatten.
»Tut mir leid, Seth«, sagte Dale. »Der Weg ist ganz schön uneben.«
»Sind wir bald da?«, fragte Kendra.
»Es ist nicht mehr sehr weit«, antwortete Opa.
Sie gingen im Gänsemarsch, Opa an der Spitze, gefolgt von Dale, der die Schubkarre schob, und dann Kendra.
Was als ein fast unkenntlicher Pfad in der Nähe der Scheune begonnen hatte, verwandelte sich langsam in einen gut ausgetretenen Weg. Später waren sie auf einen kleineren Pfad abgebogen, der sich nicht mehr weiter verzweigte.
»Der Wald kommt mir so ruhig vor«, sagte Kendra.
»Er ist am ruhigsten, wenn man
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