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Fabula

Fabula

Titel: Fabula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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die menschliche Gestalt annehmen und tun, was die Menschen tun.« Er seufzte. »Da gibt es nur ein Problem.«
    »Frauen.«
    »Wenn ein Kelpie die Gestalt eines Mannes angenommen hat, kann man ihm einen Hochzeitsschleier überwerfen und es bändigen, dann wird es zum Sklaven der Frau. Das jedenfalls erzählte man sich früher in den Highlands. Geht der Hochzeitsschleier verloren, dann flieht das Kelpie und spricht einen Fluch gegen seine ehemalige Besitzerin und deren Familie aus.«
    »Sag jetzt nicht, dass du so was getan hast.« »Nein, natürlich nicht. Das sind nur Geschichten. Die Wahrheit ist, dass Helen mich so zum Mann genommen hat, wie sie mich haben wollte. Nicht von ungefähr habe ich diese Ähnlichkeit mit Cary Grant.« Er seufzte. »Aber die Sache mit dem Hochzeitsschleier ist natürlich dummes Zeug. Helen hat noch immer Macht über mich.«
    »Aber sie glaubt doch, du seist tot.«
    »Trotzdem, wenn sie wüsste, dass ich noch lebe ...« Er sprach den Satz nicht zu Ende. »Deine Mutter, Colin, ist eine bösartige Hexe. Mit einer Sherazade ist nicht zu spaßen.«
    »Hattest du es gewusst?«
    »Was?«
    »Dass sie eine Sherazade ist.«
    »Vor der Hochzeit?«
    Colin verdrehte die Augen. »Ja, wann denn sonst?!«
    »Nein.«
    Colin schwieg.
    Und Archibald Darcy ergänzte: »Leider nicht.«
    Colin hielt sich beide Hände vors Gesicht und atmete mehrmals tief durch.
    »Was hast du?«
    »Ich bin der Sohn zweier magischer Wesen«, stammelte Colin und konnte kaum glauben, was er da sagte. »Meine Mutter ist eine Sherazade, und mein Vater ist das Ding aus dem Sumpf.« Er schüttelte den Kopf, als könne er damit alles ändern.
    »Danny ist auch unser Sohn.«
    »Weiß er das alles?«
    »Wo denkst du hin, nein!«
    »Er wird sicher ganz aus dem Häuschen sein, wenn er die Neuigkeiten erfährt.«
    »Es tut mir leid.«
    Auf diese Wahrheit hatte ihn niemand vorbereitet, nicht einmal Livia.
    Colin schaute auf, seufzte erneut, hätte das die ganze Nacht lang tun können. »Du hast dich also versteckt«, sagte er stattdessen.
    »Ja.«
    »Aber jetzt bist du wieder da.«
    »Wie man sieht.«
    » Warum bist du hier?«
    »Wie meinst du das?«
    »Warum tauchst du gerade jetzt auf, und dazu noch in dieser dämlichen Kostümierung, und willst mich aus dieser Zelle befreien?«
    »Du bist mein Sohn«, gab Archibald Darcy zur Antwort. »Es ist nie zu spät, sich einen Fehler einzugestehen und seinem Sohn beizustehen. Ich will dir doch nur helfen.«
    Nur helfen?
    »Du bist mein Fleisch und Blut.«
    Das war der Moment, in dem Colin richtig wütend wurde. »Du bist ein Heuchler«, fuhr er seinen Vater an, und er spürte den Zorn in sich, der rot und orange und gelb war. »Du bist so ein erbärmlicher, dreckiger Heuchler.«
    Archibald Darcy, der gebeugt auf der Pritsche hockte, schwieg, wie er es immer getan hatte, wenn er eigentlich etwas hätte unternehmen sollen. Er saß nur da und schwieg, weil er dachte, der Moment würde irgendwann einmal vorübergehen.
    Das war seine Strategie, das hatte er schon früher immer getan, wenn Helen ihre beiden Söhne mit ihren Geschichten gequält hatte. Er hatte alles an sich vorbeiziehen lassen wie einen schlechten Film, an den man sich später nicht mehr erinnern musste.
    Doch dann zeigte er auf einmal eine für seine Verhältnisse überbordend heftige Reaktion, und das, was sich in seinem Gesicht abspielte, bedeutete blankes Entsetzen.
    Denn plötzlich, ohne Vorwarnung, fiel der Mond in die Zelle - es anders zu umschreiben, würde den Sachverhalt nicht treffend wiedergeben.
    Es war auf einmal grellhell, und in diesem gleißenden Licht stand ein Mann, der ein grünes und ein blaues Auge besaß, in einem bleichen Gesicht, das geschminkt wirkte, es aber nicht war, mit Lippen, die wie die Lippen einer schönen Frau aussahen. Er trug einen Anzug, der glitzerte und funkelte wie das pure Licht des Vollmondes.
    »Ich bin Mr. Moon«, stellte er sich vor und entblößte spitze Zähne, als er lächelte.
    Niemals zuvor hatte Colin Darcy stärkeres Entsetzen im Gesicht seines Vaters erblickt als jetzt.
    Mr. Moon sagte: »Es ist Zahltag.«
    Und Colin Darcy wurde das Gefühl nicht los, dass es jetzt erst richtig losging.
    zehntes kapitel
    in dem Colin Darcy eine Entscheidung trifft, Mr. Moon auf seine Kosten kommt, es richtig losgeht und irgendwann sogar vorbei ist
    Mr. Moon sah aus, als habe ihn die Erinnerung an den Glam-Rock der 70er-Jahre geboren. Er war schrill und leuchtend, und wenn er redete, dann hörte es

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