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Fabula

Fabula

Titel: Fabula Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Marzi
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starrte zur See hinaus und ließ die Bilder von einst an sich vorbeiziehen, während die Zeiger der Wanduhr ihren Kreis drehten. Colin wusste, dass er sich bei Miss Robinson hätte melden sollen, doch er tat es nicht. Er wollte es einfach nicht. Morgen würde er hinüber nach Ravenscraig fahren, das wäre früh genug. Jetzt dachte er nur an all die Gespräche, die er damals mit Livia geführt hatte, an all die Stunden, die sie zusammen verbracht hatten.
    Und als er sie, pünktlich um acht Uhr abends, unten im Wohnzimmer der Pension traf, da war Colin Darcy so aufgeregt wie damals, als sie ihn unter den Mistelzweig gezogen hatte.
    Er wusste nicht, wohin dieses Gespräch führen würde. Das Wohnzimmer war ein gemütlicher Raum, klein und bchaglich. Ein leichter Nieselregen rauschte draußen vor dem geöffneten Fenster herab. Es roch selbst hier nach der Livia hatte in einem Sessel Platz genommen.
    »Wir sind ungestört«, sagte sie. »Du bist der einzige Gast heute.«
    »Ich weiß nicht, wo ich beginnen soll«, bekannte er. Es gab so vieles zu sagen.
    »Fang von vorne an«, schlug sie vor.
    Und da sie den Eindruck erweckte, vorerst nicht reden zu wollen, begann Colin zu erzählen: von dem Leben, das er die letzten Jahre gelebt hatte, von Cambridge und London und den Dingen, die einen erwachsen werden lassen.
    Er erzählte von Arthur Sedgwick und den gemeinsamen Jahren in Cambridge; davon, wie Arthur auf einer der vielen Studentenpartys in der Weihnachtszeit seine Frau kennengelernt hatte. Er erzählte von der Heirat und dem Umzug nach London. Arthur stammte aus einfachen Verhältnissen, und nur dank eines Stipendiums hatte er sich in Cambridge einschreiben können. Er war fleißig und klug und ein guter Freund. Als Seiina geboren wurde, war Arthur der glücklichste Mensch auf der Welt gewesen, und an dem Tag, an dem Colin die junge Mutter und den jungen Vater mit dem winzigen Baby im North Healing besucht hatte, da war ihm zum ersten Mal bewusst geworden, was echtes Glück sein konnte. Er hatte die Gesichter der Eltern gesehen und das schrumplige Gesicht der Kleinen und sich gefragt, ob Helen und Archibald Darcy damals auch vor Glück und Stolz strotzend in einem Zimmer im Krankenhaus von Stranraer gesessen hatten. Nein, das konnte sich Colin eigentlich nicht vorstellen.
    Er hatte Arthur schon so lange gekannt, doch das war der Moment gewesen, in dem er in sein Herz hatte blicken können.
    »Er ist tot«, sagte er Livia.
    »Du sprichst von ihnen, als wären sie deine Familie.«
    Er war unfähig zu reden.
    Und die Tränen, die all die Stunden seit London so verhuscht gewesen waren, kamen aus ihren Verstecken hervor und liefen ihm übers Gesicht, sodass er beschämt zum Fenster schaute.
    »Schreckliche Dinge passieren manchmal ohne Grund«, sagte sie.
    »Ich weiß. Aber es hätte nicht sein dürfen. Sie haben ein Kind.«
    Er sah sie an und rieb sich die Augen wie ein Kind, das sich das Knie gestoßen hat und trotzig zu verstecken versucht, dass es geweint hat.
    »Reden hilft«, sagte sie.
    »Ich weiß.«
    Es war wieder wie damals auf dem Galloway Graveyard, wie damals, als sie sich in den Pubs getroffen hatten. Geredet hatten sie, so viel, und die Leben, die sie gelebt hatten, waren eins geworden.
    Livia lauschte aufmerksam den Worten, die ihm über die Lippen flössen, als hätten sie all die Jahre nur auf diesen Moment gewartet. All die Personen, die einmal da gewesen und nach einiger Zeit wieder weitergezogen waren, tauchten auf und nahmen Gestalt an. Livia lernte sie alle kennen. Colin wollte, dass sie sie alle kennenlernte. Es war wichtig für ihn, dass er das alles loswurde. Denn am Ende, das war ihm klar, war dies alles für ihre Ohren bestimmt gewesen, schon immer.
    Dann, endlich, fragte Colin: »Wo hast du gesteckt?«
    Livia sah ihn traurig an.
    Sie war so schön, wie sie es damals schon gewesen war.
    Als sich ihre Wege getrennt hatten, da war sie ein Mädchen gewesen, und jetzt war sie eine Frau. Jemand, der sich den Glanz von einst bewahrt hatte. Er lebte noch immer in ihren Augen, in ihrem Lächeln, und Colin fragte sich in jedem Moment, in dem er sie betrachtete, wohin dieser Weg ihn wohl führen würde.
    »Du bist einfach fortgelaufen«, sagte er.
    »Du hättest auf mich warten können.«
    »Das ist nicht fair. Ich habe gewartet. Ich habe dich sogar gesucht.«
    »Ich wollte nicht, dass du mich findest.«
    »Aber warum?«
    Sie senkte den Blick, suchte nach Worten. »Ich war feige, Colin.« Wie damals brachte

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